Seite:Hermann von Bezzel - Die zehn Gebote.pdf/189

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hat diesen Verdruß tief ins Herz gefaßt, fühlt sich unverstanden, ungetröstet, unerforscht. Zuerst war es ein Wölklein wie eines Mannes Hand breit und um den Abend war es ein schweres Gewölke und als der Morgen kam, war aus der Verstimmung Unstimmigkeit und aus der Unstimmigkeit Gegensatz geworden.

 Vielleicht sind etliche hier, was ich nicht weiß, Frauen, die noch das hohe, heilige Amt der Gattin haben dürfen; so seien sie von Herzen gebeten zu erziehen, nicht mit Worten, – denn das Wort des Weibes richtet nur Zank an – sondern mit der stillen, tragenden Geduld, mit der schweigenden Würde, mit den Tränen, die nicht der Mann sieht, aber Gott zählt, mit dem festen Vorsatz: ich will mich um die Seele meines Mannes mühen, kümmern, sie auf den Händen tragen und für sie bei meinem Herrn und Gott täglich ein gutes Wort einlegen. Es ist euch vielleicht nicht unbekannt, daß Eheleute, die einander von ganzem Herzen verstehen, schließlich auch äußerlich einander ähnlich werden; zuerst in äußeren Bewegungen, in Wortwendungen, in Redensarten, dann in Anschauungen, in bestimmten Lebensgesetzen und Lebensvorstellungen und endlich auch im Antlitz. Das ist ein Zeichen, wie gegenseitige Erziehung wirkt. Aber freilich, es gibt keine Erziehung des andern, die nicht zugleich sich selbst, ja nicht zuvor sich selbst erzogen hätte. Wie kann der Mann dem weiblichen Teile ein Halt sein, wenn er selbst haltlos ist? Wie kann er eine Freude sein, wenn er selbst freudenarm ist? Wie kann er den schwächeren Teil aufrichten, ermutigen, erquicken, über sich hinausheben, wenn er selbst unter sich liegt und unter sich leidet? Der Alleinstehende trägt nur an sich selbst, aber der Verheiratete muß wohl zusehen, daß er auch des andern Last mittrage. Und er trägt sie nur, wenn er sich selbst recht heiligt, weshalb unsere Väter die Ehe eine Hochschule des Kreuzes geheißen haben.