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Diesseitigkeitsliebe und Diesseitigkeitslust. Wer sich in der Ehe nicht die Freude am Kleinen erbetet und erwirbt, dem wird sie ein großes Leid werden. Und wenn es zu schwer werden will, wenn man tagelang aneinander vorübergeht, weil man sich nimmer finden und verstehen kann, wenn das leiseste Wort falsch gedeutet und die leiseste Berührung der Wunde schmerzhaft empfunden wird, wenn man auf einmal einander ganz fremd ist, ja sich schämt, einander einmal nicht fremd gewesen zu sein, was dann? Ja, wenn man dann nicht mehr beten kann und sein Herz vor Gott ausschütten und seine Not dahin tragen kann, wo die Mühseligen erquickt und die Beladenen getröstet werden, ist es unerträglich! Und dann kommt der Feind und ruft dem einen zu: sei ein Mann und werde frei! Und dem andern Teil: schäme dich, die Sklavin des Mannes zu sein und zerreiß die Kette! Und dann entstehen diese grauenhaften Eheirrungen, Eheverwirrungen, Ehescheidungen. Die Kirche Jesu Christi steht trauernd daneben. Hast du nicht auf den Herzensacker so vieler Männer und Frauen edelsten Weizen gesät? Woher hat er denn das Unkraut? Das hat der Feind getan, der die Menschen nicht glücklich sehen will, der sie nicht glücklich sehen kann. Ach, wenn man in der Ehe nicht mehr beten kann, ist man verraten und verloren. Bedenke, kein anderer Beruf bindet dich so hart, so fest an einen anderen Menschen als die Ehe. Und darum braucht kein Beruf mehr die Gebetsweihe als die Ehe. Die meisten Eheleute aber beginnen damit, daß sie sich des Gebetes schämen. Vielleicht hat die Tochter noch die Gebetssitte aus dem Elternhause mit hinüber ins neue Haus genommen. Aber am Morgen ist der Herr des Hauses noch nicht zum Beten aufgelegt und gesonnen und am Abend ist er es nicht mehr. In den ersten Wochen der Ehe betet die Frau dann allein und dann merkt sie, es geht auch ohne Gebet. So beginnt der Morgen mit Unstimmigkeit