Seite:Hermann von Bezzel - Die zehn Gebote.pdf/225

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Gedanke, dein Geld noch ein Weilchen zu behalten, und dein Bruder muß warten. Er muß Zins zahlen, er muß seine Schulden weiter tragen und du erleichterst es ihm nicht.

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 Der Lohn, der abgebrochen und vorenthalten ist dadurch, daß man ihn nicht gleich gibt, wenn er fällig ist, schreit wider dich zum Herrn Zebaoth. Es kommt der Arbeitsmann heim, Frau und Kinder warten auf den Vater, der Geld bringen wird; doch mit bitterem Lächeln erklärt er, er sei auf die nächste Woche vertröstet worden. Manche Christen haben diese unfreie und unreine Gewohnheit, Zahlungen hinauszuschieben auf gelegene Zeit, die dann nicht mehr kommt, und dadurch werden die Verhältnisse verschoben und die Gegensätze erweitert und vertieft. Und du, Arbeitgeber, willst auch nicht, daß dein Diener und deine Dienerin gut und recht gehalten werden; denn du kannst dir nicht denken, daß sie auch die Bedürfnisse haben, die du hast. Wenn man durch unsere Stadt gehen und die Räume ansehen würde, in denen die Dienstleute Tag und Nacht wohnen müssen, wenn man manchmal die Verpflegung näher ansehen könnte, die den Dienenden zuteil wird, hineinblicken könnte in die erbärmlichen Summen, welche zur Bestreitung der nötigsten Bedürfnisse manchmal gestattet werden, dann würde man es wohl und tiefer begreifen, wie der abgebrochene Lohn gen Himmel schreit. Arbeitgeber! Gebt mit Freuden, gebt gerne und gebt reichlich! Ich weiß wohl, Treue kann nicht mit Gold erkauft, denn sie kann auch nicht mit Gold aufgewogen werden; und wenn man den höchsten Lohn zahlte, innerliche Eigenschaften werden dadurch nicht bezahlt und nicht erreicht. Aber doch möchte ich euch mahnen, daß es auch Diebstahl sei, wenn man Zahlungen, Löhne, Besoldungen, Gaben vorenthält. Es soll, wie Paulus schreibt, niemand dem Andern etwas schuldig sein, als herzliche Treue und Liebe. Wie oft habe ich beim Einblick in eines der schwersten Kapitel