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ein Wort sprechen. In unsere Mitte tritt der apostolische Mann, Jakobus, und zeigt uns die Wunder der Zunge und die Wunden der Zunge. Er zeigt an, wie doch die Zunge ein so klein Ding sei, weit kleiner als das Steuerruder und der Zügel, den man dem Pferde ins Maul legt; durch den Zügel wird das Pferd regiert und die großen Schiffe durch das kleine Steuerruder gelenkt. Die gewaltigsten Schiffe, die moderne Kunst gebaut hat, werden durch ganz kleine, unscheinbare Maschinen regiert. Solche Wunder vollbringt auch die Zunge. Ein kleines Glied, kann es die ganze menschliche Kreatur, Verhältnisse, Werke, ordnen und weise regieren, wie dort der Hauptmann zu Kapernaum durch ein Wort seine Diener regiert: Gehe hin! so geht er. Komm her! so kommt er. Ein einziges Wort, das Wort eines einzigen Menschen kann einen ganzen Staat regieren. Vor jetzt 50 Jahren hing ganz Europa jeden 1. Januar mit Spannung an dem Munde Napoleon III., ob er den Krieg oder den Frieden anzeige. Ein einziges Wort in den Tuilerien gesprochen, ging durch die ganze Welt, regierte Staaten, Völker, Stimmungen und die Gestaltung der Dinge. Welches Wunder ist die Zunge! Das einzige Wort Pius IX., daß der Papst, wenn er vom Throne herabrede, fehllos sei, hat den ganzen Katholizismus verändert, und ungeahnte Wirkungen hervorgebracht. Das eine Wort, das dort die verführerische Gewalt im Paradiese sprach: „Sollte Gott gesagt haben?“, hat ein ganzes Menschengeschlecht in das Weh des Zweifels, die Angst der Unsicherheit, in Sorgen und Schrecken des Todes versetzt und versenkt. Welch ein Wunder der Zunge! Das einzige Wort, das der aus dem Grabe wieder Auferstandene gesprochen hat: „Friede sei mit euch!“, ist bis zu dieser Stunde stark und groß genug, ein armes Menschenleben zu bereichern, froh in der Trauer, stark im Opfer und getrost in Führungen und Fügungen seines Gottes