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sagt ein alter Vater: wie wenn jemand auf einem Wege voll Unkraut ginge und risse dort eines und hier eines aus, aber unter seinen Händen wächst das Unkraut geil und frech empor, so ist es mit der Lüge. Sie befreit nicht, sie bindet den Menschen, sie blendet ihm das Auge, sie verschließt ihm die Ohren, sie entheiligt ihm den Mund, sie verunreinigt ihm das Herz und schließlich lebt der Mensch in einer Welt des Scheines. Und in der Stunde, da der Schein weicht und zerrinnt, ist er tot.

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 Man spricht zunächst von der Scherzlüge. Ich meine nicht den leisen, leichten Scherz, der wie eine Blume am Wege dem Christen erlaubt ist, das leichte Märchen, das du deinem Kinde erzählst, die schlichte Fabel, die bewußte und dir als solche bekannte Übertreibung; das sind Dinge, die zum Reiz des Lebens gehören mögen, niemand schaden und die Wahrheit und den Sinn für sie nicht ertöten. Anders schon ist es mit der Scherzlüge, die übertreiben will, die ausschmückt, um interessant zu reden, die da ein Licht aufsetzt und dort ein Licht weg tut, die manches ins Unermeßliche und Ungeheuerliche aufbauscht. Diese Scherzlüge fällt wohl unter das Wort des Epheserbriefes von den Narrenteidingen, die man meiden soll und von dem mutwilligen Scherz, der die Seele verwundet. Es ist doch für einen Menschen, der der Ewigkeit zugeht und ihr Lasten und Sorgen zuträgt, nicht wohl getan, wenn er mit scherzender, spielender, tändelnder Unwahrheit über Abgründe hinweggleiten will. Er scheint hinwegzugleiten, doch er sinkt, und fällt und der Abgrund bekommt ihn. Aber, wie ist es denn mit der Lüge des Betruges, da du etwas vorbringst, um einen Vorteil zu erlangen? Du entschuldigst dich über einem Unrecht – zunächst bei dir selbst – so lange, bis es dir nimmer als Unrecht erscheint, und dann redest du es andern vor und redest dich in den Eifer der Selbstverteidigung hinein und dein Engel weicht von dir