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widerfahren, Erbarmung, deren ich nicht wert! Und weiter: darum seid barmherzig, dieweil uns Barmherzigkeit widerfahren ist!

 Das ist das große, weite Feld des göttlichen Erbarmens. Bebaue es, daß es sich begrüne, blühe und Frucht bringe!

 Aber laßt mich am Ende noch die Bitte vor den Herrn und vor eure Seele bringen: daß ich wahr werden möge, ganz wahr gegen mich selbst, so wie unsere Väter oft gebetet haben:

König, dem wir alle dienen,
Ob im Ernst, das weißest Du,
Rette uns durch Dein Versühnen
Aus der ungewissen Ruh!
Mache dem Gedanken bange,
Ob das Herz es redlich meint,
Ob wir treulich an Dir hangen
Ob wir scheinen oder sein!

 Daß Er das Scheinleben in uns zerstöre und wenn tausend Tränen dem verlorenen Glück gehören, und mit rauher Hand alle Masken uns vom Antlitz reiße, auch wenn unser armes Angesicht darüber fröre! Daß Er uns ganz ausziehe und arm mache; besser, besser einäugig und arm in die Heimat, als doppeläugig und reich in die Fremde! Betet jeden Abend und jeden Morgen darum: erlöse mich von dem Übel des Scheines. Schlecht und recht, das behüte mich; denn ich harre Dein! Er aber, der als Hoherpriester ohne gleichen in der Nacht, da Er verraten ward, Weltangst, Jüngerleid und Kreuzesschmerz vor seinen himmlischen Vater mit großem Flehen gebracht hat, bete für uns jetzt und allezeit: Heilige sie in Deiner Wahrheit, damit sie nicht Wirklichkeitsmenschen seien, mit sich zufrieden, sondern Wahrheitsfreunde, an denen Du Wohlgefallen habest!

Amen.