Seite:Hermann von Bezzel - Die zehn Gebote.pdf/257

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

hat dich reichlich gesegnet, wenn du es nur wüßtest und wissen wolltest, wenn du nur einmal in die Tiefen deines Herzens und Hauses sehen möchtest. Er hat dir Sünden vergeben ohne Zahl und Missetaten vergessen ohne Ende, und hat dein Leben mit Gnade gekrönt. Und nun, in der Stunde, in der du das überlegst und bedenkst, trifft an dein Ohr Lob deines Nächsten: er ist mehr beliebt als du, er wird mehr gepriesen wie du, und alle Gottesgnade an dir erscheint dir gering, weil dein Nächster so freundlich geführt ward.

.

 Du kennst diese Lust. Es ist die Lust, die zweimal in der heiligen Schrift – Römer 1 und Gal. 5 – neben dem Mord, Zorn, Streit und Ehebruch steht, die Lust des Neides. Dieses furchtbare, das Menschenherz zerquälende und zerfleischende Ungetüm stellt sich auf deinen Lebensweg und läßt alles das dir gering erscheinen, was du hast, und alles das groß, was dir fehlt. Und nun tritt, wie die heilige Schrift im tiefsten Ernste sagt, aus dem Herzen der arge Gedanke. Der Neid prägt sich auf deinem Antlitz aus, höhnt dich bei deinem Gebete, äfft dich bei deinem Dank, heißt dich deinem Gott den Abschied geben. Das Leben ist so leer, das eben noch so reich war, und dein Haus so arm, das eben noch von der Sonne bestrahlt war: das ist der Neid. Wer es wüßte, was es um diese böse Lust ist! Ein jeder wird versucht, wenn er von der Gottwidrigkeit der Lust in seinem Herzen gelocket wird, von diesem Geschenk, das der Feind deines Glückes, der alte Verführer, der selbst seines Lebens nie froh wird, in deine Seele eingesenkt hat. Warum bist du so unruhig? Weil mein Nächster gelobt wird. Warum bist du so traurig? Weil mein Nächster geliebt wird. Warum bist du so verstimmt? Weil mein Nächster geehrt wird. Seht, diese furchtbare Macht hat der Feind in die Gottessaat als Unkraut gestreut und dies wächst üppig auf und erdrückt die Ähren und erstickt das Wachstum. Und auf einmal ist aus dem lieblichen: Lobe den Herrn, meine