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gewachsen und groß geworden, und wir schauen mit Lust nach des Nächsten Habe. Schon der Wunsch: wenn ich nur das hätte, wie wollte ich es nützen! Wenn ich nur das mein Eigen nennen könnte, wie wollte ich dann arbeiten! Wenn ich so geführt worden wäre wie mein Nächster, wie wollte ich da frömmer sein! – schon dieser Wunsch ist eine bittere Anklage gegen Gott, als wüßte Er nicht, was zu deinem Heil nütze und not ist. Ich höre dich oft sprechen: ja, wenn ich so leicht geführt worden wäre wie meine Mitschwester, und so freundliche Verhältnisse angetroffen hätte wie der und jener meiner Bekannten, was wäre aus mir geworden! Das klingt sehr fromm, ergeben, schlicht und ist doch eine Anklage gegen Gott, als hätte Er dich besonders hart geführt, da Er dich doch so führte, wie es für dich nütze war. Gar manchmal schon habe ich das Wort angeführt: der Gärtner stellt die eine Blume immer in die Sonne und die andere bringt er sorgfältig stets in den Schatten; denn die eine würde im Schatten verkommen und der anderen würde das Sonnenlicht schaden. Und so macht es dein treuer Gott auch. Gerade so, wie Er dich führte und wie Er deine Eigenart mit seiner Gnade verband, wie Er deine Abirrung und seinen Gnadenwillen sich immer wieder begegnen ließ, gerade so, wie Er dich führte, war es recht. Getreu ist Gott und kein Böses an ihm, gerecht und fromm ist Er, heißt es beim Propheten. Sage dir das oft vor: Er hätte dich nicht anders führen können – was sage ich –, nicht anders führen dürfen, wie Er dich führte, es wäre sonst dein Schaden und Unheil gewesen.

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 Darum, wenn diese böse Lust in deiner Seele mächtig sich regt und dein Gebetsleben verhindert und deine Arbeit belastet und dich nimmer froh werden läßt, dann stürme hinaus ins Freie, oder rede, wenn du das nicht kannst, auf deinem Lager mit deinem Gott, dann geht dir wieder der Morgenstern auf. Denn aus dem Gebet steigt himmlisches