Seite:Hermann von Bezzel - Die zehn Gebote.pdf/269

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erst recht nicht. Luther hat ganz recht, wenn er sagt: brave Dienstfrauen werden nicht betrogen. Man vergesse das nur nicht, wenn man das Register der Sünden seiner Dienstboten herunter sagt in schneller Folge und merkwürdigerweise bei ihnen alle die Fehler findet, die man bei sich selbst nie gesucht hat – sonst hätte man sie nämlich auch sicher gefunden. Aber wenn nun jemand Unglück mit seinen Dienstboten hat und z. B. in einem jungen Hausstand schon nach kurzer Zeit Wechsel eintritt und du siehst, wie dein Nächster in dieser Beziehung so gut versorgt und versehen ist, da liegt auch eine gefährliche Versuchung nahe, die im Volke Israel besonders bedeutsam war, wo die Dienstboten gerade für den Samstag unbedingt notwendig waren, der eigenen Verlegenheit durch den Schaden des Nächsten zu helfen. Bei dieser großen Gefahr magst du vielleicht mit besonderer Freundlichkeit, mit zuredendem Wort, mit schmeichelnder Rede, mit großen Versprechungen und Verheißungen deines Nächsten Knecht oder Magd an dich locken. Es ist doch gerade in unserer Zeit sehr bedenklich, wenn man hört und liest, welche Versprechungen Dienstboten gemacht werden: Freiheit, Vergnügen, Abwechslung, Aushilfe, Unterstützung, mit möglichst viel Umschreibung des Wortes „dienen“, wobei doch die Seele eines von Christo gefreiten Menschen leer ausgeht. Selten höre ich, daß man dem Dienstboten sagt: ihr sollt auch einen Sonntag haben mit Gottesdienst und Predigt, mit rechter Sonntagspflege. Selten höre ich: ihr sollt auch beim Hausgebet sein und als Glied des Hauses zur Fürbitte mit eingezogen werden. Vielleicht ist das mittelalterlicher Aberglaube, den unsere fortgeschrittene Zeit schon um deswillen belächelt, weil sie ja keine Hausgebete mehr kennt und hat. Ach, indem man den Dienstboten so viel verspricht und die Unzufriedenheit in ihr Herz senkt und den Vergleich zwischen dem, was sie haben und was sie