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meines himmlischen Herrn wieder geborgen weiß! Kommt die böse Lust, so sprich sie aus. So danke dem Herrn für das, was du hast und mehre das Glück des Anderen!

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 Unser Gebot fährt weiter, wie es im lateinischen Text so treuherzig lautet: Du sollst dich nicht lassen gelüsten deines Nächsten Vieh und Esel und alles, was sein ist. Wenn man weiß, wie im Morgenlande die wenigen Zugtiere so selten sind und welch besonderen Wert die wohlgezogenen Zugtiere besitzen, so begreift man, wie da der Neid einsetzen kann, der überhaupt die merkwürdige Gabe hat, immer den eigenen Besitz zu verkleinern und den fremden zu vergrößern. Indem du hinein in den Garten deines Nachbarn siehst, denkst du: alle seine Blumen blühen reicher, alle seine Bäume tragen besser, alle seine Beete sind mehr gesegnet. Und du, Mensch der Großstadt, wenn du die Zimmer deiner Freundin besuchst, erscheinen dir all die Hausgeräte, der Wandschmuck, die Bilder, viel schöner als bei dir, all die Einrichtungen der Küche und all das, was sonst noch das Auge einer Hausfrau ergötzt, erscheint dir dort weit schöner, zweckmäßiger, praktischer, diensamer als das deine. Und du gehst heim – du weißt nicht warum – gedrückt, dein Weg wird dir so lang, deine Füße werden so müde und dein Herz ist so verdrossen. Und du kehrst heim und die Deinen müssen für Dinge leiden, für die sie gar nicht verantwortlich sind. Und du bringst es nicht los, als bis du es ausgesprochen, dann kannst du über solch alberne Versuchungen des Feindes lachen. Wie viele Menschen verderben sich ihr Leben dadurch, daß sie ihre zur Sonnenseite gelegenen Fenster mit Neid und Mißgunst verhängen; in ihrem Garten blüht nur der Wermut, in ihrem Herzen grünt nur bittere Wurzel, ihre Augen sehen nur das, was sie nicht haben und ihre Ohren hören nur das, was dem eigenen Leben fehlt, und so quälen sie sich, nicht an dem, was sie haben, nicht an der Aufgabe, die ihnen