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gestellt ist, noch an der Last, die ihnen Gott auferlegt, sondern an dem, was sie nicht haben, hängen sich an diese Gedanken, schildern, wie ihr Leben wäre, wenn ihnen dies und jenes geboten wäre. Ach, sie wissen es nicht, wie glücklich ein Leben ist, das die Ansprüche an das Leben verlernt und aufgibt, und wie froh ein Mensch ist, der mit wenigem zufrieden, von allem abgeschieden, durch diese Welt zieht.

 Ich fasse alles zusammen in einige Lebensregeln:

 1. Wenn die böse Lust sich regt, so kannst du das nicht hindern; aber daß sie bei dir verweilt, das hindere treulich.

 2. Und du hinderst es, indem du zuerst in dein Kämmerlein gehst und rufest: Schaffe in mir ein reines Herze, das des Neides ledig ist, und schenke mir das klare Auge, das über Berg und Tal die Heimat sieht. Und du schaffst dir dieses reine Herz, indem du hingehst und deiner neidischen und unrechten Lust durch klare Aussprache dich entledigst. Du wirst frei, du hast keine Geheimnisse mit deinem Mörder mehr, du hast dich von dem Zerstörer deines Lebens losgerissen, du hast seine Begleitung abgeschlagen und du bist ein glücklicher Mensch. Du bist allein – und alsbald treten die Engel Gottes zu dir und dienen dir. Und wenn du heimkehrst, wird das Geringgeschätzte wieder so groß und das, was dich unglücklich machte, dir so hoch, und das, was dich neiden ließ, so unscheinbar und so gering: jetzt sehe ich erst, wie reich ich bin, wie arm ich war.

 Und zum 3. Nicht allein, daß du deine unnützen Gedanken des Neides, der Mißgunst und Scheelsucht bannest, sondern daß du auch zum Glück des Nächsten hilfst! Das ist die größte Persönlichkeit, die rechte Nachfolge Christi, nicht die ihr Kreuz nachträgt in Murren, sondern die im eigenen Kreuz die Kraft hat, des Nächsten Freude zu mehren und zu teilen. Es ist nicht fein, mein Christ, wenn alles schweigen muß, weil es in dir trüb ist. Das ist anspruchsvoll, aber nicht fromm. Es ist nicht recht, daß alles