Seite:Hermann von Bezzel - Die zehn Gebote.pdf/273

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leiden soll, weil du leidest; das ist sehr anmaßend, aber nicht fromm. Jeder unter uns kennt aber solch erlauchte Helden Jesu Christi, welche im eigenen Leide die Freude im Hause des Nächsten vergrößern können und so lernten, wie Geben seliger ist als Nehmen und reicher macht als eigener Gewinn.

 Gehe hin, wenn die Lust dir zur Last und die Last des Lebens dir zum Genuß wird, in dem du schwelgest – es ist ja immer ein Wechselverhältnis zwischen Lust und Last –, und bitte deinen Herrn, daß Er dich frei und ledig und getrost mache! Siehe, je älter du wirst, desto mehr verbleicht, was du neidest und wird geringer, was du begehrtest, und die ganze große Summe der Wünsche, mit der ein törichtes Kind auszog, wird in späteren Tagen zu einem kurzen, alles in sich beschließenden Wunsch: Mein Gott, ich bitt durch Christi Blut, mach’s nur mit meinem Ende gut! und wiederum: wenn ich nur den Himmel krieg, hab ich alles zu Genüg! – Es ist ein weltliches Wort und ich habe es doch so gerne: In den Ozean eilt mit tausend Masten der Jüngling. Still, auf gerettetem Boot kehrt in den Hafen der Greis; auch der nicht bloß an Jahren Gealterte, auch der in der Nachfolge Christi klug Gewordene! Ich habe all mein Wünschen begraben, damit ich den einzigen und größten Wunsch erfüllt bekomme: Heimat und Heimatsglück!

 Siehe, das ist das Letzte, was ich dir heute ans Herz lege, Gemeinde Jesu: alle bösen Gedanken vergehen vor dem einen großen: unser Wandel ist im Himmel; wir haben hier keine bleibende Stätte. O, wenn du deine tägliche Unterhaltung in das Licht des Wortes stellen würdest, das wir vorhin lasen, wie wir aus unseren Worten gerechtfertigt oder verdammt werden, und wenn du deine Triebe und Leidenschaften, die innerlichen Stimmungen, Lust und Laune, in das eine Wort senken wolltest: Stille! was