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zweitenmal zu kreuzigen. Einmal hat Er am Kreuz für meine Sünden gelitten; wenn ich nun in der Sünde mit Bewußtsein verharre, so schlage ich ihn wieder ans Kreuz und entziehe mich der Gnade der Vergebung. Und doch, auch diese Kindesfurcht hat noch Gefahren. Sie fürchtet nicht sowohl die Sünde, als ihre Folgen, nämlich, daß der Vater sich von mir wende, weil der Sohn nicht mehr für mich spricht. Ich frage dich: kennst du diese Kindesfurcht, der nichts so schwer ist, als daß der Heiland hinter einer Wolke meiner Sünde und Schande sich verberge? Weißt du von der kindlichen Furcht, daß auf einmal seine Seligpreisungen Flüche, seine Ladungen Drohungen, seine Verheißungen Schrecken und seine Segnungen große, schwere Verdammungsurteile werden möchten? Kennst du die kindliche Furcht, daß der Herr Jesus vergeblich für dich gestorben sei und du nimmer singen und sagen kannst: Wir danken Dir, Herr Jesu Christ, daß Du für uns gestorben bist? Daß, weil du sein Kreuz nicht geachtet hast, es plötzlich wie Nebel entschwindet und der Freitag dir der leerste Tag ist? Ich weiß nicht, ob einer und der anderen Seele die Angst manchmal kommt, sie könne aus dem Glauben ihrer Kindheit entfallen, in dem sie gesprochen hat: das Blut Jesu Christi macht mich rein von aller Sünde. Und nun wüßte sie gar nichts mehr zu sagen, sie fragt – und fragt ins Leere; sie sucht – und sucht ins Ungewisse; sie bittet – und der Himmel ist ehern und verschlossen; sie klopft an – da ist niemand, der auftut. Hast du diese Kindesfurcht, daß Jesus sich von dir wenden und weichen möchte? Nochmals sei es gesagt: es ist nicht das Höchste, aber etwas Großes, wenn ein Mensch in der kindlichen Furcht einhergeht, er möchte aus dem Glaubenstrost entfallen.

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 Was ist denn der höchste Grund, der dich und mich von der Sünde scheiden soll, um was sollten wir öfters seufzen als wir tun? Das ist die Mannesfurcht. Die Furcht,