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daß sich zwischen meinen Herrn und mich etwas drängen und stellen möchte. Seht, je männlicher eine Seele wird, desto ängstlicher wird sie, ihren Herrn zu betrüben. Während sie vorher Berge nicht fürchtete, ist sie jetzt ängstlich, daß sich ein dünnes Blatt Papier zwischen ihren Herrn und ihr Leben stellen möchte. Jeder Gedanke, der des Herrn nicht achtete und das Diesseits suchte, jedes Verlangen, das in die Tiefe geht, statt in die Höhe zu begehren, jedes Wort, das den Lippen enteilt, ohne ihn zu ehren, wird jetzt für ihn ein schweres Weh. Es ist die Furcht des Freundes, daß er den Freund betrübe; es ist die Furcht des Mannes, daß er etwas seiner Unwürdiges tue. So hat sich der Mann in seinen Freund, die Seele in ihren Herrn eingelebt, daß sie wirklich beten kann: „Es sei in mir kein Tropfen Blut, der nicht, Herr, Deinen Willen tut.“ Ich will es an einem Bild zu erklären versuchen. Wenn sich zwei Menschen von ganzem Herzen lieben, durch viele Jahre hindurch immer wieder die gegenseitige Treue erfuhren und erprobten, dann können sie durch Berge und Meer voneinander geschieden sein, aber der eine Mensch wird unwillkürlich verlangen, das, was des andern ist zu denken, und das, was dem andern wohlgefällt, zu tun. Es ist der eine dem andern das ungeschriebene, das eingeschriebene Prinzip des Lebens. Was wird er dazu sagen, wie wird er dazu stehn, wie wird das in seinen Augen gelten? Oder, wenn zwei Menschen wirklich vor Gott verbunden waren, so daß Er selbst segnend die Hand auf ihren Bund legte, so wird, wenn der eine Eheteil der Zeitlichkeit entnommen ist, der andere mit ihm fortleben: das wird ihm gefallen und jenes ist ihm angemessen, so handle ich in seinem Geist und Namen. Diese geringen Bilder sind ein Abglanz des innerlichen Verhältnisses des Christen zu seinem Jesus. Das, was ihn betrüben könnte, das will ich meiden. Es ist nicht mehr die kindliche Furcht, daß Jesus sich wendet, es ist die zarte Mannesfurcht: