Seite:Hermann von Bezzel - Die zehn Gebote.pdf/30

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

nicht genug zahlen könnte, so jämmerlich und so kläglich zumal: die Menschenvergötterung. Das Beste an mir habe ich mir selbst weggenommen und nun komme ich mit einem einladenden Lächeln, das nichts anderes ist als versteckte Lächerlichkeit, und werbe um Liebe. Ich habe mir selbst genug gelebt und mit dem dürftigen Rest meines Könnens, Vermögens, Verstehens laufe ich umher und bitte um Menschenhuld.

 Es gehört zu den schwersten Dingen, sehen zu müssen, wie ein Mensch, von sich betrogen, bei seiner Umgebung um Götter bittet: sei du mein Gott! Und welche Götter stehen dann auf? Menschen, die ich in der Vollkraft meiner Jahre nicht achtete, umwerbe ich, daß sie die Dürre meines Lebens erhellen. Persönlichkeiten, an denen ich im Stolz der Arbeit vorbeieilte, halte ich auf, ob sie mir nicht huldvoll und geneigt sein wollten. Und so sucht der Mensch von sich selbst betrogen, nicht an seinem Gott emporzuwachsen – dazu ist er nicht mehr fähig – sondern seinen Gott zu sich herabzuziehen.

 Wie arm wird der Mensch, der von sich selbst enttäuscht ist! Welch klägliche Ideale hat er dann! Menschenvergötterung! Manchmal sieht und steht man mit Schauder still: was kann dieser Mensch seinem Nächsten geben? Wie konnte der an ihn sich wahl- und willenlos verkaufen? Ach, er hat ihm versprochen, ihn nie zu durchschauen; er hat ihm verheißen, ihn nie zu ermahnen; er hat verzichtet, sein Gewissen zu sein. So werden sie miteinander in die Grube fallen und der Mensch stirbt willig an seinem Gott und sein Gott stirbt mit ihm.

 Oder ist es Menschenvergötterung besserer Art, dieser Menschenkultus, wie wir ihn jetzt sehen, wie wir ihn vor 100 Jahren erblickten, als die gebildetsten Deutschen, als ein Goethe und ein Wieland im Staube vor Napoleon lagen? Ist das nicht Menschenvergötterung, wenn man all das