Seite:Hermann von Bezzel - Die zehn Gebote.pdf/44

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

ersteigen und meine Phantasie zu ihm hinanreichen möchte! Darum zweifle nicht, sondern bete! Im Gebet zerrinnt der Zweifel. Es ist, als ob ich aus der kalten Nachtluft, an der der Atem gefriert und das Blut in den Adern stockt, plötzlich in das heimlich durchwärmte Gemach eintreten dürfte. Nun vergesse ich Sorge und Kummer, Unpäßlichkeit, Unwirtlichkeit des Weges, ich bin daheim. So kommt man aus den erkältenden Zweifeln an Gott und aus den erstarrenden Fragen über Gott in eine heimatliche, frohgemute Atmosphäre, sobald man betet: Er so hoch und ich ein Bettler; ich so hoch und Er war arm. Er so fern und ich ihm so entlegen und nun naht Er zu mir, der Unbegreifliche, und jetzt ist das Rätsel gelöst: nicht Er hat sich von mir gefernt – denn Er steht mitten unter uns – sondern ich habe mich von ihm geschieden. Meine Untugenden haben sein Geheimnis unheimlich und seinen Namen unfaßlich gemacht. Als Er aber mir zu vergeben sich anschickte, da ward ich froh.

 Und zum zweiten. Der Name des Herrn ist ein festes Schloß, eine hohe Burg, ein Wartturm, viel zu fest, als daß er eingenommen werden könnte, darum fürchte dich nicht!

 Wird nicht doch am Ende des 20. Jahrhunderts der alte Gott begraben werden? Wird nicht doch die Weltgeschichte Ihn in Trümmer schlagen?

 Werden wir es nicht doch noch, vielleicht mit bitterem Weh, erfahren: Gott ist tot, es lebe die neue Welt! Liebe Christen! Daß es manchmal so durch die Seele zieht, darf uns nicht wundern. Es geht wirklich so viel Schweres durchs Herz. Aber der Name des Herrn ist ein festes Schloß, viel zu stark, denn daß es eingenommen und erobert werden könnte; darum fürchte dich nicht! Es gibt nie, daß ich so sage, ein neues Sprengmittel, das gegen diese Festung angewendet wird. Es ist immer die alte