Seite:Hermann von Bezzel - Die zehn Gebote.pdf/67

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 In allen Nöten! Da ist zuerst die Not der Ungewißheit. Was ist euer Leben? Ein Dampf ist es, eine Rauchsäule, die sich ein wenig über die Niederungen der Erde erhebt, so glänzt die Sonne hinein und die Rauchsäule spielt in allerlei bunten, frohen Farben, hier drückt der Nebel sie nieder und der Rauch sinkt zu Boden – man weiß nicht, ob er gen Norden sich richtet oder gegen Süden geht, man sieht nicht, ob er hoch steigt oder bald zur Seite sich wendet – und ehe man’s sich recht überlegt, ist er zerflattert als eine dünne Luft. Was hülfe es dem Menschen, wenn diese Rauchsäule sonnig beglänzt wäre, und er nähme Schaden an seiner Seele? Und was schadet es dem Menschen, wenn diese Rauchsäule immer im Dunkeln sich fortschleicht, und er gewinnt Jesum Christum seinen Herrn! Es ist eine schwere Not die Ungewißheit, daß ich keinen Augenblick meines Lebens sicher und gewiß sein kann; daß ich heute in die Stadt kann, die morgen mir das Grab bereiten kann, heute ein Werk beginne, um es morgen einem andern zur Fortsetzung zu überlassen. Es ist eine große Ungewißheit: was wird das neue Jahr bringen? Hat es in den Falten seines Mantels den Frieden? Bringt es mit strengem, harten Antlitz den Krieg? Wird es unsere Kirche, so wie sie jetzt gefügt und geformt ist, noch weiterleben sehen, oder wird diese Kirche langsam sich anders formen und gestalten? Wird dem Massenabfall auf der Kanzel und unter der Kanzel wirksam begegnet und der hl. Geist mit neuer Kraft sich am Werke erzeigen oder wird der Herr seine Hand zurückziehen und kräftige Irrtümer werden das Feld behaupten? Was wird in meinem eigenen Hause sich vollziehen? Werde ich an Gräber geführt werden, wo ich’s am wenigsten meine, und werde ich die Schwierigkeiten, die ich am meisten fürchte, erleben müssen? Werde ich selbst das Jahr überdauern und ihm die Zeit abgewinnen und diese Zeit recht ausnützen können? Oder wird mich