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ihres Dienstes und ihrer Anbetung vor den Thron ihres Herrn; nun beginnt dieses himmlische Lobgetön: „Heilig, heilig, heilig ist der Herr Zebaoth!“ Nun hebt der Wett- und Wechselgesang aller Gottseligen an: Ehre sei dem Vater und dem Sohne und dem heiligen Geist!

 Und wenn am Sonntag der Geistliche am Altare betet und noch lieber die ganze Gemeinde singt: Wir loben Dich, wir benedeien Dich, wir beten Dich an! dann ist es, als ob eine unsichtbare Gemeinschaft herrsche zwischen uns armen Pilgern hier im Staube und der hl. Gemeinde derer, die ihre Kleider im Blute des Lammes gewaschen haben und nun rein und ohne Sünde und Sorge vor dem Throne ihres Erbarmers stehen. Dann hebt die Seele sich heimatwärts und himmelwärts: Wirf ab, Herz, was dich kränket!

 Es ist diese Gemeinschaft ein Gottesdienst im oberen Heiligtum, den der Apostel Paulus Römer 12 einen „vernünftigen“ Gottesdienst nennt.

 Und nun meine Lieben, die ihr vielleicht so gerne an der Liturgie vorübergeht und es so einzurichten wißt, daß ihr über die Kirchenschwelle tretet, wenn der Geistliche eben die Kanzel besteigt, hört, um welche Gnade und welchen Reichtum ihr euch selbst dadurch bringt! Um den großen Reichtum gemeinsamer Anbetung. So wenig unsere Kirche gewillt ist, einen Gottesdienst zu feiern, in dem sie die Gebende, Gott der Empfangende ist – wie die katholische Kirche es hält, in welcher das Opfer, das der Priester bringt, den Höhepunkt des Gottesdienstes bedeutet, wo Gott dann das Meßopfer freundlich entgegennimmt – so wenig ist unsere Kirche dem reformierten und kalvinistischen Gottesdienste hold, in dem die Gemeinde lediglich die Empfangende, harrend Aufnehmende ist, ohne zugleich die Gebende, Spendende zu sein. Unsere Kirche, die liebe und geliebte Kirche der rechten Mitte, ist gebend und empfangend;