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Vergnügen erholen. So sind ihnen die Kinder Begleiterscheinungen, die man mit einem Uebermaß von Affenliebe für Stunden anhäuft und anfeiert, um dann wochenlang wieder der Pflicht an ihnen quitt und ledig zu gehen. Ich möchte das sehr betonen, daß die quantitative Häufung aller Affekte auch ein Grundzug unserer Zeit ist, weil man der Stetigkeit der Qualität sich desto leichter entzieht. Eine Mutter, die ihr Kind tagelang im Schmutz und in der Verwahrlosung sein läßt, kauft dann auf einen Tag eine Menge von Süßigkeiten. Man findet sich, echt modern, in einem Moment mit einer Reihe von Gottespflichten ab und die Quantität soll dann die durch die Zeit fortgesetzte Säumigkeit ersetzen, gerade in dieser Affenliebe, mit der jetzt die meisten Mütter die Krone der Pädagogik erreicht zu haben wähnen, die nebenbei die aufgelegteste Selbstliebe ist, denn Mütter und Väter sehen dann in denen, die sie mit einer solchen affektierten Zärtlichkeit und Liebe überhäufen, nicht die Karrikatur ihres eigenen Bildes, sondern dessen Verklärung, – gerade weil unsere Tage mit ihren Pflichtbegriffen sich so rasch abfertigen und so leicht Ersatzkräfte für eigene Verpflichtungen heranziehen, werden die Kinder und Warteschulen immerhin noch eine Zeitlang Zukunft haben, bis endlich auch in der Bewegung der Geister eine dem Kindesalter sich nähernde Aufklärung Platz greift, welche die Kinder nicht mehr mit ihrem Herrn bekannt gemacht sehen will. Noch haben wir Zeit. Noch soll in den Kinderschulen ein rechter Ernst der Seelsorge für die armen Kinder erwachen und ich kann mich sehr kurz dabei fassen. Es ist nicht notwendig, daß man die Kinder spielen lehrt. Es ist eine Gnade, der Trieb muß bloß geheiligt werden, nicht erst eingepflanzt. Es ist auch nicht notwendig, daß man die Kinder mit allem möglichen Raffinement der Unkindlichkeit umgibt, aber das ist notwendig, daß man die Kinder früh auf Jesum weist. Ich meine, wenn man der Kinderseele im frühsten Alter, wo sie noch am bildsamsten ist, all die Worte und Verheißungen Gottes nahe bringt und frühzeitig dem Kinde das Heimweh erweckt, so darf man glauben, daß weiter an diesen Zügen gearbeitet wird und der Herr mit diesen Anfängen weiter gehen wird.

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 So sind auch unsere Blöden je länger je mehr der ärztlichen Kunst entrückt. Wenn die possierlichen Versuche, durch allerlei schädliche Operationen diese Idioten zu heilen, um ihrer Possierlichkeit willen aufhören, und wenn all die Einimpfungen und Einpflanzungen um ihrer Torheit willen dem Fluch der Lächerlichkeit verfallen sind und der Staat und die rührige Wissenschaft merken, daß an diesen Blöden wenig Lorbeeren zu verdienen sind, dann wird man wieder die freie Liebestätigkeit