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berufen. Berufe eilen dahin, Berufe sinken zur Erde; wir wissen, es kommt ein Tag, wo wir auch den liebsten Beruf hinlegen müssen, wo sie unsere geschäftigen Hände zusammenlegen, mühelos und lächelnd, und diese Hände nicht mehr dagegen sich wehren, daß man ihrer sich entäußert. Wir denken oft an die Stunde, wo eine ganze Welt von Gedanken wie ausgetan ist und dem großen Schweigen eines vielberedten Lebens das Schweigen der Ewigkeit folgt. Unsere Berufe fallen dahin und zwar läßt sich der Herr nicht vorschreiben, ob und wie Er Ersatz habe, für Ihn ist es ganz unwesentlich, daß und woher Er Ersatz bekommt. Er kann aus Steinen wieder Helden erwecken, wie Er Helden zu Steinen wandelt, und aus dem Staub wiederum Leute hervorholen, wie Er seine Menschen zu Staub macht. Die Berufe fallen dahin und der Erdenberuf, dieser Beruf der mittelbaren Seelsorge fällt auch dahin. Zwar hat Mancher in seinem Grab eine bessere Seelsorge geübt als die war, da er lebte und durch den Glauben redete mancher, obwohl er gestorben war. Es weht um die Grabstätten Seiner Bekenner immer etwas wie Gottesfrieden und die Unvergeßlichkeit eines Namens, der im Himmel angeschrieben ist. Aber das sind eben dann nur rein innere Wirkungen, zu denen der nichts mehr beiträgt, von dessen Nichtsein sie ausgehen. Es sind dann nur göttliche Ausbildungen von Gedanken, die unter der Erde schlafen. So fällt auch der irdische Beruf dahin, aber die Berufung bleibt: Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein. Und dieses Wort hebt über die ganze große Ernstlichkeit des Entscheides und des Scheidens hinaus. Man weiß, daß Er jetzt noch mit der Seele weiter handelt, wenn ihr Erdenhaus hingelegt und ihre Erdenarbeit beendet ist. Von Ihm berufen, trägt man nur die einzige Sorge, daß man dieses Berufes und dieser ewigen Berufung eingedenk und teilhaftig bleibt. Es liegt auf dem Menschenleben eine tiefe, heilige und gesegnete Wehmut. Der Mensch, auch der wiedergeborene Mensch ist in seinem Leben wie Gras und die Werke, die er getan hat, sind wie des Grases Blüte.

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 Hunderte von Jahren hat die Kirche der Diakonie entbehrt; kann nicht auch wieder ein Jahrhundert kommen, da sie ihr genommen wird? Es liegt dann die Angst vor, daß die Kirche, durch ihre Diakonissen verwöhnt, noch weniger des alten evangelischen Pflichtbegriffes sich annimmt, sondern die Dinge dann treiben und gewähren läßt und es ist gar aus mit ihr. Es kommt mir überhaupt recht oft die Sorge, daß die Kirche nicht mehr eigentlich ein Gesamtbegriff, eine Gesamttatsache ist, sondern daß es nur noch einzelne kleine Kreise sind, die einen Gedanken, der ihnen selbst nicht mehr feststeht, fortschleppen