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Berufswerk. Wenn Elisabeth von Marburg darüber selig gepriesen wird, daß sie ihren Mutterberuf verließ und sich fremder Dinge annahm, so ist das Verkehrung der Gottesordnung. Darüber rede ich nicht weiter. Wenn man nur die gemeine Durchschnittssittlichkeit in der Berufstreue findet, während der Mensch, der einen andern Weg geht, weit über diesen Durchschnittsleuten steht, so wissen wir, Heiligung außerhalb der nächsten Arbeitspflicht ist eine Schmähung dessen, der sie uns gab; sie wird vor Ihm nicht bestehen und taugt vor Ihm nichts. Kraftentfaltung auf einem andern Gebiet als auf dem vom Herrn gezeigten ist Ihm nicht angenehm. Wo wäre der Lehrer, der vor leeren Bänken stehen wollte, weil die ihm befohlenen Schüler anderwärts eingefallen sind? Wie heißt der Führer, der auf einem andern Schlachtfeld sich bewähren wollte, als in das er geführt, wo wäre der Gott, der seinen Menschen erlaubte, andere Wege zu gehen, als die Er zeigt, um dann die auf diesem Wege vermeintlich geübte Treue als eine wirkliche gelten zu lassen?

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 Noch einmal sei es gesagt, und das wollen wir in unsere späteren Betrachtungen recht hineinnehmen, es gibt keine Heiligung außerhalb des Berufs. Der Erdenberuf umspannt unser Leben, von ihm aus orientieren sich alle Beziehungen zu unsern Verwandten, Freunden, zu Gott, alle inner- und überweltlichen Beziehungen. Was deinem Berufe nicht zugute kommt, das ist Sünde, und wenn es noch so gleißte, und was dein Beruf fordert, das ist recht. Von Berufs wegen fragen wir uns: Können wir jene Erholung und dieses Vergnügen uns gönnen? Dürfen, müssen nicht im späteren Leben auch Verwandtschaftsbeziehungen gelockert werden, können wir nicht, müssen wir nicht auf manches verzichten, was einem andern zusteht? Der Beruf macht das Gewissen enge, weil er das Herz so weit, so groß und stark macht. Sehen wir auf den Weg und auf die Straße unseres Berufs! Das ist in meinen Augen die hohe Bedeutung der Schule, an der unsre Diakonissen vorgebildet werden sollen, das ist die Bedeutung der blauen Schule, daß in ihr, so lange sie besteht, der Ernst der Berufstreue gepredigt und bezeugt wird. Es muß eiserne, starke, große Grundsätze geben, an denen man nicht ungestraft vorbeigeht; es muß ein Erbe dastehen, nicht von Menschen, sondern von dem Menschensohne, und ein Besitz, der je mehr behütet wird, je mehr die blaue Schule in ihrer Abgeschiedenheit bleibt. Es wäre nach meiner festen Ueberzeugung ein Stück Tod im Hause, wenn die blaue Schule ein Sprechsaal würde, wo alle ungefragt ihre Meinung äußerten. Es sind das alles Reden für eine andere Zeit, die nicht mehr die meine sein wird; aber achtzehn Jahre Arbeit machen sich dem, der sie