Seite:Hermann von Bezzel - Einsegnungs-Unterricht 1909.pdf/43

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Ewigkeit fertig werden könne, von Ihrer Seele fern, denn wer mit der kurzen, rasch sich abwickelnden Zeit nicht fertig werden kann, wen die Zeit und ihre Länge drückt, wie wird der einst in der Ewigkeit fertig werden; und mit der Ewigkeit nicht fertig werden und sie doch haben ist eben der ewige Tod. An der Ewigkeit nur eine Last haben, die man nicht abschütteln kann, unter ihrer Last leiden und sie doch täglich von neuem erleiden, das ist ein ewiges Sterben. Darum sage ich, der Beruf vertieft und schützt; er schützt vor dem grimmigsten Feind, der Langeweile. Selbst von dem bösen Geist heißt es, er weiß, daß er wenig Zeit habe, und darum nützt er und braucht er und rafft er zusammen, was er kann. Und wir Nachfolger dessen, der da nicht hatte, wo Er Sein Haupt hinlegte, wir Dienerinnen und Diener dessen, der am hellen Tag der Nacht gedacht, da niemand wirken kann, sollten irgendwie Langeweile haben? Das sei ferne! Der Beruf heißt uns in die Tiefe gehen: dort eine Frage, hier eine Angelegenheit, dort die Möglichkeit ein gutes Wort einzubringen, hier die Verpflichtung eine Aufgabe tiefer zu nehmen, dort irgendwie ein Neues ernster, nachhaltiger zu pflügen; wie sollte man da irgendwie Zeit haben? Das ist ein Schutz, den der Beruf uns gewährt, und der andre Schutz heißt: wir dürfen immer wieder einsam bleiben.

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 Der Christenmensch braucht in seinem Erdenberuf Einsamkeit: Die schwersten Fragen müssen allein getragen werden und die größten Aufgaben muß man allein bewältigen. Der Beruf gibt eine solche Menge heilsamer Niederlagen, wirft in eine solche Fülle von Schwachheiten, reißt die Hülle von solcher Größe von Lässigkeit, daß man, nur immer wieder stille und einsam wird. Es muß mit einem Wort jeder, der seinen Beruf ernst nimmt, täglich seine Sterbestunde erleben, die Stunde vorwegnehmen, in der er einmal ganz allein ist, so allein, daß auch die kühnste Phantasie eines, der jetzt spricht, an die Ausschilderung dieses Alleinseins nicht hinreicht, noch für sie ausreicht. Das ist die Stunde, wo man eine Minute, die Zerstreuung heißen würde, flehentlich erbittet, und sie will nicht kommen; das ist die Stunde, wo man auch dem gleichgültigsten Menschen seine heiße Freundschaft antragen würde, und er will nicht erscheinen; das ist endlich die Stunde, wo man den allertörichtsten Gedanken willkommen heißen würde und er will nimmer eintreten. Dieses Alleinsein, dieses auf sich ganz Geworfensein dem Herrn gegenüber, das muß der Mensch in den enteilenden Tagen erfahren, damit er in der Sterbestunde dessen gewöhnt sei: das ist etwas, womit der Beruf so schützt und wodurch er uns so vertieft; immer ein Unterton, den man jahrelang überhören