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echt und treu werde. Alles, was an guten Kräften in der Diakonie ist, konzentriert sich auf das eine: mittelbare Sorge für die eigne Seele und aus ihr heraus mittelbare Sorge für die Seele des Nächsten. Was heißt das?

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 Es wird kein Konventikel gehalten, es wird kein Bußkampf und Bußkrampf erregt. Man spricht nicht viel Geistliches, aber man taucht den Menschen in das Stahlbad der Wahrheit. Eine Diakonissenschule muß eine Wahrheitsschule sein; hier muß das Kleinste ernst genommen werden: der lose Blick, das leere Wort, der falsche Schein; es muß, ohne daß viel Worte gemacht werden, durch jede Seele – und das tut der heilige Geist, wenn man Ihn bittet, – der große Gedanke gehen und erregt werden: bin ich auch auf dem gottgefälligen Wege? Es muß mit dem ganzen Eifer, mit der ganzen Ernstlichkeit daraufhin gearbeitet werden, daß ein armer Mensch recht gründlich es nehmen muß. Darum haben unsere Väter die blaue Schule so von aller weiteren Arbeit abgelöst und haben sie zu einem Heiligtum, ja zu dem Heiligtum im Diakonissenhaus gemacht, das es war und sein soll bis in ferne Zeiten: daß in dieser blauen Schule Gewissen erweckt, Seelen erschreckt, Leben befragt und Lebensfragen aufgestellt werden sollen. Es liegt wahrhaft nicht der Ton auf dem Unterricht und nicht auf der Vermittelung von allerlei Kenntnissen, sondern darauf, daß durch etliche, die sonst ihres Weges trunken gingen, der harte, schwere Ernst geht: Wie steht es mit meiner Seele? Ein großer Tag wird es einmal zeigen, wie gar manche in der blauen Schule erwacht sind, wie die Sündenerkenntnis hervortrat, längst begraben Geglaubtes wieder zum Leben kam, wie eine Erweckung stattfand, nicht gekünstelter Art, sondern in elementarer Gewalt, weil der Herr an die Seele pochte. Das nenne ich mittelbare Sorge für die eigne Seele. Man ist ja zu diesem Beruf nicht gekommen, aber man hört, daß der gesuchte Beruf eine einzige Vorbedingung hat und diese Vorbedingung heißt Ehrlichkeit und Ernstlichkeit. Solang ein Mutterhaus den Mut hat, lieber seine Diakonissenschule zu entvölkern, als sie mit allerlei Elementen anzufüllen, so lange ein Mutterhaus die Kraft hat, zurückzudrängen, damit das Echte und Wahre bleibe, solang ist seine Geschichte, sein Leben verbürgt, und wenn dann eine Jungfrau, die in ein Diakonissenhaus geht, das Stahlbad dieser willensstärkenden Ernstlichkeit erfahren und durchkostet hat, die nicht in einzelnen Worten an sie tritt, sondern aus dem gesamten Ton sich ergibt, wird sie auch mittelbare Seelsorge zu treiben imstande sein, mittelbare Seelsorge an ihrer Umgebung und auf ihren Arbeitsgebieten. Das ist ja leider gewiß wahr und kann jeder bestätigen, der das Leben kennt: nirgend wird