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hat, so ist das weit mehr wert, als wenn man sie jetzt mit einer Menge von überlieferten Satzungen beengt und ihre Seele ängstigt und einschüchtert. Es ist mir immer ein Trost gewesen, daß ich mich mit dem was Instruktion und Instruktions-Wesen heißt, hier habe recht wenig befassen müssen. Es giebt nur eine Instruktion und die heißt: Folge mir nach! Und aus ihr heraus, aus dem aus ihr gebornen Takt einer Christin, erweist sich die Weitschaft, die doch nicht Oberflächlichkeit, und der Reichtum, der doch sparsam ist. Darum noch einmal sei es gesagt: die rechte Seelsorge ist, daß man Grundbegriffe prägt und in die Seele den Blick zu senken sucht, wie reich ein Mensch ist, der Christum liebt.

 Darum meine ich auch, wir sollten unsern jungen Schwestern recht viel von der Solidität beibringen, welche keine Kirche so grundmäßig hat, wie die milde biblische Richtung der altlutherischen Schule Württembergs. Ich habe immer wieder durch die Jahre hindurch auf Steinhofer, Rieger und Roos hingewiesen, auf diese trefflichen, kernigen Väter. Ich unterscheide mich, möchte ich sagen, in meiner ganzen Glaubensstellung von dem Luthertum einer andern Richtung. Es gibt, um es kurz zu sagen, zwei Richtungen im Luthertum seit der Reformation. Die eine Richtung ist die mehr norddeutsche, die wir vielleicht bei Martin Chemnitz finden und vielleicht bei dem einen Osiander; das ist mehr die Richtung, welche das Sein betont; die andere Richtung zeigt uns wie Gott der Herr dem großen wunderbaren Sein auch das „So“ vermittelt; wie aus dem Sein das Sosein wird, und das ist je und je die Gnade der württembergischen Bibelschule bis auf Joh. Tob. Beck geblieben, daß sie das Sosein der Dinge recht ansah, das sollen und wollen auch wir tun, daß wir das Sosein der Dinge recht ins Herz fassen und daran festhalten und ja nicht zweifeln, der Herr, der ein Ding, eine Glaubenswahrheit, ein Lebensgut geschenkt hat, hat auch die äußere Gestalt gegeben, unter der dies Lebensgut sich darstellt und erzeigt.

 Das aber sei auch eine Seelsorge, die ich recht zu betonen mir gestatten möchte, daß man – und ich wende mich bittend an alle, die es hören wollen – die blauen Schülerinnen, wenn sie dem Semester entnommen sind, in der Pflege des Gotteswortes erhält. Es ist mir beweglich, was da manche Oberschwester die Jahre hindurch getan hat; Gott wird es ihr an Seinem Tag öffentlich vergelten. Man sage nicht, dazu gebreche die Zeit! Was ist es, wenn man von drei Wochen Ferien einen Tag opfert und diesen Tag in 24 Stunden zerlegt und diese 24 Stunden auf ein halbes Jahr verteilt? Was wäre damit Großes getan, wenn eine Oberschwester ihre jungen