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die das weibliche Geschlecht in seiner Eigenart zu verschlingen und dem männlichen Geschlecht eine gedrückte Stellung zu geben geignet sind. Aber das sind nicht Gefahren der Lehrdiakonie als solche, sondern Gefahren des gesamten Feminismus im Schulbetrieb, der gewiß keine ersehnte und wünschenswerte Erscheinung an sich ist. Aber ich rede doch auch noch einmal von den Gefahren, die von der Lehrdiakonie drohen, und hier spielt für mich die allerneuste Phase und Frage mächtig herein. Wenn die Lehrdiakonie einen Sonderstand bildet, und jene vom Vater aller Zwietracht beliebte Scheidung zwischen gebildeten und ungebildeten Schwestern herein in die Genossenschaft gerade durch die geworfen wird, welche ihre Hauptbildung darin zeigen sollen, daß sie sich zu beschränken wissen, dann wäre freilich die Lehrdiakonie eine hohe, kaum zu überschätzende Gefahr, und wenn die Lehrdiakonie in sich eine abgeschlossene Zunft bilden würde, die sich mit dem Satz tröstet, alles, was im Bereich und in der Konsequenz der Pflicht liegt, schadet nicht, und dann einen Pflichtbegriff sich konstruierte, der sie zur Lektüre auch der unmöglichsten Bücher nicht nur befähigte, sondern gewissermaßen auch veranlaßte und berechtigte, dann wäre die Lehrdiakonie ein offenes Grab. Und wenn in dieser Zünftigkeit nur noch ein äußerer Zusammenhang mit den Sorgen und Aengsten der gesamten Diakonie gepflegt und bewahrt und mit ruhigem Blut all das Leid angesehen würde, wenn nur die eigene Schule und das eigene kleine Reich wohl bestellt ist, so würden diejenigen, die an der Zukunft des Hauses zu arbeiten berufen sind, seine Mörder werden. Wir haben derartige Erscheinungen mit Angst gesehen. Wenn ich es jetzt so überlege, erscheint es mir wie ein Wagnis, wenn ich mit Luther sprechen darf, wie ein Torkel der Gefahr gegenüber, daß man, nicht gewitzigt durch schwere bittere Erfahrungen, es versucht hat, die Lehrdiakonie wieder und wieder und so sehr zum Wort kommen zu lassen, daß vielleicht Nachfolger sagen, es war zu viel. Aber man vergesse nicht, die Lehrdiakonie bringt ja dann bloß zur Erscheinung, was in der Diakonie überhaupt als große Gefahr, was, ich darf sagen, im Frauencharakter als große Gefahr vorhanden ist, das Selbstische, die kleinen Grenzen, die kleinen Bezirke, die kleinen Reiche und Gedanken. Der Mann wird durch seine ganze Arbeit genötigt, zu teilen. Die Frau ist ja von Gott mit einer weit größeren Unabhängigkeitsgabe ausgerüstet als der Mann. Es ist eben eine Merkwürdigkeit, daß die Hilflosigkeit des Mannes in kleinen Dingen, eine gewisse Befangenheit in kleinen Fragen, die Größe des weiblichen Naturells darstellt. Also man soll ja nicht der Lehrdiakonie auf die Rechnung setzen, was der Diakonie, was dem weiblichen