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 Unser Geschlecht wächst heran, rings von Gefahren und Versuchungen umgeben. Vorgestern hat mir jemand gesagt: Man muß seinen Kellnerinnen und Ladnerinnen so und so oft einen ganzen freien Tag geben, 24 Stunden ohne Kontrolle, ohne Beaufsichtigung, sich selbst und allerlei Anfechtungen ausgeantwortet und überlassen! Was wäre das, wenn unsere Frauen, unsere evangelischen Frauen auf ihre freien Stunden willig verzichteten, um solcher auf den Markt des Lebens in falsch verstandener Freiheit hinausgeworfener Mädchen sich anzunehmen? Heißen sie Flick- oder Leseabende, ich segne alle Veranstaltungen, wenn in ihnen ein volles Maß von Liebe entgegengebracht wird. So entnervt ist selten ein weibliches Wesen, daß es sich hier nicht wieder erfrischte und entwickelte, daß es nicht sich sehnte nach dem Feuer des heimatlichen Herdes. Hier braucht es keine großen Verabredungen, sondern wenn es bekannt geworden ist: hier kann man ein gutes Wort und ein gutes Buch hören - so kommen manche und lassen sich im Stillen von der Liebe erwärmen. Es ist etwas Großes: Freude haben und gewähren. Ich greife auf ein verschollenes Buch zurück, auf das Buch vom Schulmeisterlein Wutz. Da heißt es einmal: Mein Leben ist so reich gewesen, weil ich mich von Tag zu Tag freuen konnte. Wenn das möglich wäre, daß man unseren in Not der Arbeit, in viel Drang der falschen Freiheit und Gebundenheit geknechteten weiblichen Kräften ein Heim gewährte – wenn sie wüßten: in diese schlichte Witwenstube, in diese Umgebung darf ich mich wagen und auch eine Freundin mitbringen, es wird mir eine gute Aufnahme zuteil –, so wäre etwas davon erfüllt: ich bin gekommen, ein Feuer anzuzünden. Suchen Sie aber diese Not doch nicht bloß bei den arbeitenden Klassen! Wie viele einsame, vertrocknete Existenzen hat die Großstadt, wie viele Persönlichkeiten, die äußere Mittel hätten sich froh zu stimmen und verschmähen sie, weil sie nichts mehr haben, was innerlich erwärmt und interessiert! Ziehen Sie auch diese in den Bannkreis Ihrer Liebe und geben Sie von der Wärme Ihrer suchenden und freundlichen Gesinnung etwas zu spüren.

 Und unsere Frauen, die in schweren, in verkehrten und verödeten Verhältnissen leben, die in harter Arbeit stehen! – Wenn hier der evangelische Frauenbund nicht große Massen sammeln, sondern offene Abende halten wollte im Gruppensystem, wo die Leute kommen dürften mit ihrer Arbeit, mit ihren Kindlein, mit ihren großen und kleinen Nöten, das wäre ein schönes und gerechtes Werk! Meine verehrten Damen, das sind keine großen Dinge, es sind Selbstverständlichkeiten, aber gerade an Selbstverständlichkeiten geht man am leichtesten vorüber.

 Wenn Sie so in Christi Kraft erwärmendes Feuer anzünden, in einem kleinen Kreis, das da weithin leuchtet und lockt, wenn Sie