Seite:Hermann von Bezzel - Etliche Mahnworte zur Frauenfrage.pdf/14

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in falscher Verkehrung all seiner Gaben ungescheut und zuchtferne begibt, so tritt furchtbare Verkehrung ein und was höchstes Glück war, wird tiefste Schmach. Ich gedenke nicht groß von der furchtbaren sozialen Gefahr zu reden, die durch unser armes geliebtes Volk geht, das, wie ein neuerer Soziologe sagt, mit einer Pestleiche an Bord durch das Meer der Zeiten steuert, sie heißt Unkeuschheit in Wort und Werk. Ich kann und will Ihnen, verehrte Damen, nicht zumuten, daß Sie in einer nie ganz schadlos haltenden und nie ohne innere Gefährdung sich vollziehenden Suche auf all die Furchtbarkeit der Seuche eingehen. Es ist mir ein Grauen, wenn ich über den schwersten Fragen, bei denen sich Richter, Arzt und Seelsorger begegnen, Frauen mit kaltem Antlitz sprechen höre. Es ist hier auch nicht zu untersuchen, wie man den furchtbaren Gefahren äußerlich, rechtlich, polizeilich begegnen kann. Wir haben nicht all die Fragen aufzurühren, ob das oder jenes geändert, eingeschränkt, ob die Straße freigegeben werden soll oder die Unkeuschheit sich in Spelunken und Winkel flüchten darf. Aber das ist die Aufgabe der deutschen Frau, der evangelischen Christin, die unter der Gnade Jesu stehen: selig sind, die reines Herzens sind, denn sie werden Gott schauen, daß sie ein flammendes Zeugnis gegen alle Unreinheit ablegen. Gedenken Sie in Ihrem letzten Seufzer abends Ihrer armen Geschlechtsverwandten, die nun in doppelte Nacht versinken; denken Sie an die vielen, die einst noch an Menschenwürde und Menschenweihe glaubten und nun ist ihnen alles durch fremde und eigene Verschuldung geraubt. Aber denken Sie auch des größten Hirten und Seelsorgers: Tröstet, tröstet mein Volk, redet mit Jerusalem freundlich! und glauben Sie, die hart Gebundenen macht Er frei, seine Gnade ist mancherlei. So ernst Ihre Gegnerschaft gegen alles Gemeine sein soll bei hoch und niedrig und je mehr Sie abwehren und zugreifen sollen, so sehr bitte ich um ein barmherziges Herz für die Erschlagenen Ihres Geschlechtes. Nein, wir wollen nicht pharisäisch richten, als ob die Damen, die im Boudoir einen schlüpfrigen Roman schlürfen, höher stünden als die armen Mädchen auf der Straße in ihrer schnöden Sünde und Lust, wir wollen nicht, daß gewisse Etablissements und Theaterstücke höher gewertet werden als wenn ein armes Geschöpf in der schlimmsten Varietévorstellung nach seiner Art sich armselig belustigt, wir wollen die großen Reformationsrufe ans eigene Herz ergehen und das verzehrende Feuer bei uns selbst wirken und verbrennen lassen. Es ist in der ganzen Sittlichkeitsbewegung wohl das Beste, wenn sich Frauen zusammentun in Reinheit des Wollens, sich das Versprechen geben nichts zu lesen, nichts zu sehen, dessen sie sich vor ihren Kindern, ihren Dienstboten, vor uns Männern schämen müßten. Es ist das die