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die glühende Liebe zum Heiland, der ernste, tiefe Sinn seiner Nachfolge – der Mangel an Frauenberufen kann und wird wohl jene Häuser numerisch und quantitativ füllen und bereichern, qualitativ aber verarmen und verkümmern lassen. Ich darf mich zu Ihnen versehen, daß Sie nie jemand mit dem Hinweise einer Versorgung für den Diakonissenberuf werben wollen. – Aber Sie möchten ja größere Bildungskreise ziehen, mehr Bildungsgelegenheiten erschließen. Ich greife das Frauenstudium heraus, wenn ich auch persönlich aus nicht ganz oberflächlicher Erfahrung kein großer Freund desselben bin und mir die Frage billig vorlege, wenn das Frauenstudium immer mehr sich verbreiten würde, was das Männerstudium noch bedeutete und wo es bei Aufteilung der Welt noch weilen sollte. Wenn ich also mit einem erlaubten und gottgeborenen Egoismus das Frauenstudium etwas ängstlich betrachte, möchte ich doch zugeben, daß es eine belebende Aufgabe Ihrerseits ist, allerlei größere Bildungsgelegenheiten zu eröffnen. Wir können im 20. Jahrhundert nicht mehr wie im 18. Jahrhundert die Frage lösen. Gott hat Ungleichheiten geschaffen, die in gottgemäßer Weise getragen und gelindert werden müssen. Wenn nur dann, indem Sie für solche größere Bildungsmöglichkeiten bedacht sind, aus der Ausbildung nicht die Einbildung und aus der Einbildung nicht die Verbildung wird. Sie wollen eine weitere Ausbildung des weiblichen Geschlechtes, Sie können es nicht billigen, daß ganz bestimmte Bildungsstätten der Frau verschlossen sind. Aber Sie werden mir auch zugeben, welch eine Sorge es ist, daß man nicht eine oberflächliche Bildung aus Kompendien sich vermittle, die das große Heer der gebildeten Proletarier vermehrte. Wenn Ihnen ein besonders begabtes, besonders interessiertes Menschenkind begegnet, dem Sie Eifer abspüren sich weiterzubilden und weiter zu vervollkommnen, dann geben und schaffen Sie Gelegenheit und beraten Sie; solch ein weibliches Wesen wird durch seinen Wissensdrang und Forschungstrieb vor Ungründlichkeit und Oberflächlichkeit bewahrt. Es ist gut und löblich, wenn die evangelische Frauenbewegung darnach trachtet, ihren Geschlechtsgenossinnen möglichst viele Ämter und Berufe zu erschließen. Gott läßt ja jetzt auch ganz neue Berufe aus der Erde hervorwachsen und gibt für die Suchenden Gelegenheit und für die Fragenden die Antwort. Aber immer sei das die große Sorge, daß das spezifisch Weibliche, die heilige, reine Bescheidung, der Ernst der Selbstbeschränkung nicht ausgetan und weggetilgt werde. Mädchengymnasien, Studium der Philosophie und Philologie, der Medizin und Rechtswissenschaft, alles in Würden und Ehren, Gott gebe nur, daß aus Ihren werbenden und belebenden Bestrebungen etwas Reiches und Reines erwachse, daß das Feuer bleibe, welches anzieht und belebt.

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