Seite:Hermann von Bezzel - Festpredigt und Rede gehalten bei der Einweihung des Maria-Martha-Stifts mit Altersheim.pdf/4

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ein holder Begriff, ein hoher Gedanke, noch eine reine Phantasie, nicht ein Traum, köstlicher, geträumt zu werden, als im Erwachen, wo er die Seele enttäuscht, sondern eine Wirklichkeit ohne Maß und Ende. Wir haben einen Vater der Lichter. Dieser ewige Vater, in dem alles Licht urständet, aus dem es in Strömen über die Welt zieht, Helle auf Helle, Kraft um Kraft, hat einmal ein Wort gesprochen, von dem ein alter Denker sagt, es sei das größte, das je gesprochen worden sei, und diesem Erdenrunde mit dem Wort sich genaht: „Es werde Licht“. Da haben die Mächte der Finsternis geschwiegen und alle Feinde des Lichts sind zurückgetreten und alle Schatten geflohen. Ueber diese Welt strömte das Licht, Lebenskraft, Lebensbedingung und Lebensfülle und als dieses natürliche Licht, das Gott aus der Finsternis hervorkommen ließ, verblaßte, da sich die Störung und Verneinung seiner Kräfte von unten her einstellte, hat er, damit mans wisse, wie es ihm ums Licht zu tun sei und wie er des Lichtes eingedenk ist, seines einigen Wesens Abbild und Kraft, Licht vom Licht, Leben vom Leben, wahren Gott von wahrem Gott auf die Welt gesandt und die Gemeinde sinkt anbetend vor diesem Wunder nieder.

Das ewig Licht geht da herein,
Bringt der Welt ein’n neuen Schein,
Es leucht’t Wohl mitten in der Nacht
Und uns des Lichtes Kinder macht.

 Dieses Licht des eingeborenen Sohnes, sein persönliches Leben und Liebesgedenken hat nicht eine neue Weltanschauung herabgebracht, daß wir mühsam an ihr korrigieren müßten, sondern dieses Licht hat eine neue Welt geschaffen, in Forteroberung aus sanftmütiger und demütiger Treue sie erhalten und bewahrt. Weisheit ist Torheit, Torheit ist Weisheit, Unkraft wird Kraftfülle und Macht wird zur Ohnmacht; wer herrschen will, unterliegt, wer gewaltig sein will, der gehorcht, wer siegen will, der verleugnet sich selbst. Dieses Licht ist dann damit man seine Kraft und Treue erprobe, mit allen finsteren Gewalten in den Kampf getreten, hat der Sünde unheimliche Macht in sein Reich einbezogen und alle lähmenden und ermüdenden Gewalten des Unrechts in seinen Bannkreis genommen. Dann haben ihn der Undank verlassen, die Untreue verraten und die Verneinenden gekreuzigt. Am Grabe haben der Hölle Gewalten triumphiert und der Erde bezeugt, daß das Nichtsein größer sei als das Leben und die Nacht stärker als das Licht.

 Aber so preist die Gemeinde, so verkündet der Glaube, so bezeugt die Tat: Am dritten Tage wieder auferstanden von den Toten. Das Licht ist stärker als die Finsternis und das Leben größer als der Tod. Dieses Licht, meine Geliebten, hat einen hellen Schein in die Herzen gegeben. Pfingsten steigt herab, der heilige Geist mit dem Glanze der Verklärung, mit dem Feuer der Erneuung kehrt zu den Brüdern ein, und der Gott, den der Apostel einen Vater des natürlichen, einen Vater des ewigen Lichtes heißt, wird fortan zum Vater der Lichter. Nun hebt die große Geschichte aller erlauchten und erleuchteten Persönlichkeiten an: Fischer werden zu Aposteln, einsame Fährleute steuern hinaus auf das weite Meer der Welt, Zöllner bieten ihre kostbarsten Schätze an, aus einem Saulus wird ein Paulus, der Mann, dessen Gedächtnis diese Kirche geweiht ist, leuchtet vor seinen Feinden in Engels-Klarheit und Gestalt, die großen Väter schreiten einher, die treuen Bekenner folgen ihnen nach und über diese Gaue hin gehen die ersten Missionare, die treuen Zeugen, ein Gallus, ein Pirmin und späterhin ein Schnepf und ein Zwick, der Dichter des herrlichen Himmelfahrtsliedes, der Sänger eurer Kindergesänge, und die treuen Namen eurer Geistlichen, Du evangelische Gemeinde Lindau, vorab ein Gaßner, leuchten in dieser Stunde aus dem verklärten Zuge der Zeugen und preisen den Vater der Lichter. Hinfort gibt es nicht mehr Menschen, sondern Persönlichkeiten, nicht mehr Zahlen, sondern Charaktere, nicht mehr enteilendes Leben, sondern Gestalten, in denen Christus sich auswirkt, Männer und Frauen, die des Evangeliums von Christo, des einfachen Evangeliums, nicht sich schämen.

 Das ist der Vater der Lichter. Freut euch an ihm, daß er nicht in starrer Einsamkeit, in weltferner Selbstgenüge an sich hält, sondern daß er unermüdliche