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pflegten, das lange in enger Armut sich behaupten mußte. Wie aber könnte ich jener durch die Bekanntschaft und Verwandtschaft mit dem Helferich’schen Hause (am Webersplatze) dem sel. Löhe näher getretenen Jungfrau vergessen, deren Bild und sonnige Frömmigkeit auf das einsame Leben des großen Pfarrers verklärenden Schein warf. Helene Andreä kam im Januar 1835 mit ihrer Mutter nach Nürnberg, nach dem Pfingstsonntag des Jahres hat, der sie als Pfarrverweser von Egydien unterrichtet hatte, sie in Behringersdorf konfirmiert. Am 25. Juli 1837 wurden beide in der Katharinenkirche zu Frankfurt am Main getraut. Und am 24. November 1843 ist sie mit 24 Jahren aus einem Leben geschieden, das sie so hell zu machen gewußt hatte, und das ihr so reich und groß geworden war. Löhe’s letzte Lieder: „Ich will dich suchen gehen, die ich so lang vermißt“ und das gewaltige „O Gottessohn, voll ewiger Gewalt“ verdanken dem Weh um das frühe Scheiden der Lebensgefährtin und der Gewißheit wahrer Einigkeit ihre Entstehung. Sie hat, obwohl ihm geistig nicht ebenbürtig, vielmehr von schlichten Gaben, durch die echte Weiblichkeit eines in Christo geheiligten Lebens und Denkens, durch die lautere Einfalt, die Fehler auch am geliebtesten Menschen sieht, Löhe das Glück gegönnt, von einem Menschen intuitiv erfaßt zu sein. Was er ihr nachgetrauert, klang an und verklang. Aber das Bild einer Pfarrfrau, nicht auf dem Goldglanz verschönernder Erinnerung, sondern aus dem stetigen Dank für die Reinheit eines stillen Frauenlebens gezeichnet, ist durch eine Meisterhand uns überliefert worden, deren Wahrhaftigkeit die Liebe des Gemahls nicht beeinträchtigen durfte. Die eigentümliche Tragik eines in Arbeit und Mühe sich verzehrenden Lebens, das den treuen Knecht seines himmlischen Herrn fortan beschäftigte, war der größte Dank für ein unvergessenes Gottesgeschenk, dessen reiner Glanz dem evangelischen Pfarrhause vorleuchten mag. Daß eine Pfarrfrau, diese edle, von der Reformation zurückeroberte Gabe an das Haus, an das Volk – je mehr wirkt, je mehr sie sich beschränkt, in wortlosem Wandel die Predigt des Eheherrn zu erläutern und zu begleiten, daß sie nicht vielseitig sein, sondern in bewährter und gewollter Einseitigkeit ihr Haus für ihre Welt ansehen soll, aus deren Bemächtigung und Beschäftigung sie der Gemeinde

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Hermann von Bezzel: Frauengestalten aus der Landeskirche. Verlag der Buchhandlung des Vereins für innere Mission, Nürnberg 1912, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Frauengestalten_aus_der_Landeskirche.pdf/6&oldid=- (Version vom 8.9.2016)