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diese Christenbetätigung an alles Leid des Lebens nicht als an einen abstrakten Kollektivbegriff, sondern an den einzelnen Leidenden, in dem das Leid sich verkörpert und von dem Einzelnen an die Gesamtheit des Leids. – Grund der Innern Mission ist der an das gottgegebene Menschheitsbild weisende Vorgang und Geheiß. „Auf Dein Wort, in Deiner Kraft Dir nach und Dir entgegen!“ –


II.

 Daß dies und nichts anderes der Grund sei, wie verschieden auch der den Grund in die Tätigkeit setzende Anlaß sein mag, soll Kraft und Tat der Inneren Mission beweisen. Wir leben in einem apologetischen Zeitalter, ob man dies nun bedauert oder bestaunt. Ernst Curtius sagt einmal von den durchgreifendsten und entscheidungsreichsten Epochen der griechischen Geschichte, man habe in ihnen zuviel Geschichte erlebt, als daß man Geschichte hätte schreiben können. So erscheint mir die Apologie nicht als Zeichen der Kraft und ihrer Ursprünglichkeit, sondern immer als Zeugnis des Niedergangs, dem freilich die Verteidigung des Christenglaubens wehren will. So weit Apologie Bekämpfung des gegnerischen Einwands ist, mag sie immerhin kraftvoll sein. Mit der Schutzwaffe der Gerechtigkeit ficht man zugleich im besten Kampf. Anders aber erscheint das Bestreben, das Umstrittene in seiner Wahrheit zu verteidigen. Unser Glaube, sagt der wahren Apologeten einer, ist an sich und durch sich der Sieg, der die Welt überwunden hat, nicht durch Beweise von der Richtigkeit und Unumstößlichkeit der Glaubensrealitäten, sondern eben durch seine Existenz als durch die Kraft, die vom Sichtbaren und Beweislichen auf das Unsichtbare, aber darum dem Beweise wie dem Widerstreite Entnommene hinzeigt. So ist die Tat allein und an sich die beste Verteidigung, die Glaubenstat und die Tat aus dem Glauben. Wo Licht ist, geht der Schein freiwillig von ihm aus. In die Welt der Realitäten, der furchtbarsten Wirklichkeiten gestellt, erzeigt der einfache Christenwandel als Beweis der umgestaltenden Gottestat allerlei gutes Werk. Der Welt ohne Liebe, wie August Boeckh einmal die Antike nennt, tritt das Moment der Bruderliebe entgegen: „Seht, wie sie sich unter einander lieben.“ Und zu den wunderbarsten Erkenntnissen Julian des Apostaten gehörte es, daß er die tätige Christenliebe dem welken Baume des Heidentums als frisches lebenskräftiges Reis aufimpfen wollte. Diese Liebe, welche „die Not des Lebens in das

Empfohlene Zitierweise:
Hermann von Bezzel: Grund, Kraft und Ziel der Inneren Mission. Buchhandlung der Diakonissenanstalt Neuendettelsau, Neuendettelsau ca. 1914, Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Grund,_Kraft_und_Ziel_der_Inneren_Mission.pdf/12&oldid=- (Version vom 24.10.2016)