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Farben dargeboten wird, ist gerade in einer Zeit, die mit zersetzender und zerpflückender Kritik auch in der Schule arbeitet, wie eine Gegengabe und Schutz vor allen kommenden Gefahren. In die Krankenstube, zu den Gebrechlichen und Alten, den Ausgetanenen und Verlassenen tritt die Innere Mission tröstend und pflegend, ermutigend und ermunternd, lehrt in der Krankheit den Helfer, im Alter den Quellborn der Jugend suchen, bringt Blüten aus dem Kranze der Barmherzigkeit, Perlen aus dem Schatze der Gottesgüte, zeigt, daß auch der Vergessene in der Welt Gott wohl bewußt sei, wehrt der Verbitterung und Grämlichkeit, dem tiefen, erkältenden Weh des Alleinseins und der Fremdlingschaft. Wo die Verwaisten nach Liebe rufen, die Gefallenen, welche die Welt ausbeutete und dann halbtot liegen ließ, die Gefangenen und aus dem Gefängnisse der Oeffentlichkeit Zurückgegebenen weder Halt noch Hilfe haben, weil die einen die Sünde nicht verstehen mögen, die andern sie nimmer verstehen können, sobald sie aufhört, interessant zu sein, wo der Fluch auf die Lippen sich wagt, warum Gott einsam gehen lasse, während der Feind drängt und höhnt, da lehrt die Innere Mission wieder an den Wert des Lebens glauben, das nie so zerstört sein kann, daß es nicht in Christo wieder aufleben dürfte, weist an den Abgründen, in welche die Seele zunächst hinabjauchzt, dann grausend blickt, auf den, der über Abgründe schreitet, um sie zu schließen, bei dem Finsternis wie der Tag ist, und eröffnet den Blick in ein gottgeschenktes Recht auf Leben und auf die ihm korrelate Pflicht, recht zu leben.

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 Die Kraft der Inneren Mission ist der klare Blick, der auch bei Schreckhaftestem nicht erstarrt, sondern fest und ruhig, sicher und still in Todeswunden sieht, das offene Ohr, das als eines Jüngers Gott allmorgentlich öffnet, für den verhaltenen Wehruf, für den gellenden Schrei der Verzweiflung gleich empfänglich zu sein, die feste und doch so linde Hand, die überall zugreift, ohne müde zu werden, aber nie zu frühe noch zu spät ihr Werk tut, die geweihte und lautre Rede nicht äußerlicher Gesalbtheit, welche tief entrüstet und innerlich verletzt, vor allem aber das warme, weite, weltoffene und weltmächtige Herz, dem die Gabe nicht zu verzweifeln von dem geschenkt ward, der nicht Sein frommes, feines, liebes, sondern Sein armes Volk trösten und ihm zu Herzen reden heißt (Jes. 40, 1 und 2), der Gott alles Trostes (Röm. 15, 5). Zinzendorf hat in einem seiner besten Lieder den Vers uns

Empfohlene Zitierweise:
Hermann von Bezzel: Grund, Kraft und Ziel der Inneren Mission. Buchhandlung der Diakonissenanstalt Neuendettelsau, Neuendettelsau ca. 1914, Seite 17. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Grund,_Kraft_und_Ziel_der_Inneren_Mission.pdf/19&oldid=- (Version vom 24.10.2016)