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sondern der Masse des Leids zu helfen. Kollektivbegriff ist die Hilfe, kollektiv die Hilfeleistung, wie ihr Objekt kollektiv ist. Das Menschheitsbild der Humanität ist im Ich-Kultus geschaffen, und um diesen durchzuretten, will sie auch dem Elend lindernd begegnen.

 Aber die Innere Mission ruht auf der Menschheitsidee nicht der einmaligen Konstruktion oder der jeweiligen Festsetzung, sondern auf der schöpfungsgemäß bestimmten, nach Gottes Vorsatz und Urbild orientierten, durch die Widergöttlichkeit zwar entstellten, aber nicht zerstörten – ne in inferis quidem exuri potest –, durch die Erlösungstat des Menschensohnes nicht nur wiederhergestellten und verneuten, sondern bereicherten und erhöhten Menschheitsidee. Man mag zu dem vielumstrittenen Begriff des Menschensohnes in den Selbstaussagen Jesu stehen, wie immer – ich erblicke in ihm das Bekenntnis zur Menschheit, wie sie werden sollte, ist und werden soll, zur Generation, Degeneration und Regeneration des Menschtums – so viel wird Uebereinstimmung sein, daß Jesus in sich die ganze Fülle der Menschheitsidee sei es nach der Potenz oder nach deren Auswirkung darstellen wollte. Dieses christusmäßige Menschheits- und Menschenbild, das im Einzelsubjekt ebenso vertreten und dargestellt ist als in der Gemeinschaft, ist der Ausgang für die Innere Mission, die von Christo nach Aufgabe und Ziel Weisung, für Aufgabe und Zielsetzung Kraft erhält. Nicht das jeweils geltende Menschheitsideal, das zwischen der Karikatur nach unten und der nach oben, dem Uebermenschen haltlos schwankt, ist Objekt der Inneren Mission, sondern der erlöste, zum mindesten der erlösungsfähige Mensch, an den sie Jesu Vorgang und Wort verweist.

 „Jesus als Lehrer und Seelsorger“ und „Blicke in das Seelenleben des Herrn“, zwei Schriften des Schotten Blaikie, ins Deutsche von Brandes (Bückeburg) übersetzt und vor 30 Jahren erschienen, zeichnen in feinen und zarten Linien die Mission, den Diakonat Jesu Christi, der umhergegangen ist zu lehren und gesund zu machen, mächtig von Rat und Tat, in dem die Apostel die alten Weissagungen von dem leidenden Gottesknecht erfüllt sahen, den, was die Seinen ängstete, mit Angst erfüllt hat (Jes. 63, 9. Matth. 4, 23 und 24. Matth. 8, 17), weil er in dem innigsten Lebens- und Wesenszusammenhang mit dem nichtseinsollenden Lebensleide durch ein Seinwollen eingetreten war. Für Sünde und Seuche zum Fluch und zur Pein von Gott auf Grund

Empfohlene Zitierweise:
Hermann von Bezzel: Grund, Kraft und Ziel der Inneren Mission. Buchhandlung der Diakonissenanstalt Neuendettelsau, Neuendettelsau ca. 1914, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Grund,_Kraft_und_Ziel_der_Inneren_Mission.pdf/9&oldid=- (Version vom 24.10.2016)