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hat, wieder in seine Herrschaft gekommen, ein König ohne Gleichen und ohne Ende. –

 Passionsgedanken sind aber auch Gedanken göttlicher Ironie, jenes heiligen Spottes, der das Fluchholz zum höchsten Ehrenzeichen gemacht hat und den Gekreuzigten durch Unehre und Todesschmerz zum Heiland der Welt. „Wenn sie’s aufs klügste greifen an, so geht doch Gott ein andere Bahn.“ Das Zeichen der höchsten Unehre mit dem Mann der Schmerzen daran ist durch die Jahrhunderte Gegenstand höchster Kunst und treuester sinnigster Arbeit geworden. Welch ein Fortschritt von dem rohen Spottkruzifix im kaiserlichen Pädagogium auf dem Palatinus (gefunden 1857) bis zu den großen Darstellungen eines Eduard von Gebhardt, von dem Holzrelief an der Santa Sabina auf dem Aventin zu den Werken von Brunelleschi und Adam Krafft! Deutsche Zartheit und Innigkeit erfüllen die Kreuzesbilder Albrecht Dürers und des jüngeren Holbein, Erhabenheit und Schönheit predigen die von Rubens und von van Dyck. Innigkeit und Andacht schufen die verklärten Bildnisse aus der Hand des Angeliko da Fiesole.

 Am Ende des 18. Jahrhunderts hat ein Priester in Notre Dame zu Paris das Kruzifix mit Füßen getreten: Es ist nicht genug, daß der Tyrann des Leibes (Ludwig XVI.) vernichtet werde: laßt uns auch den Tyrannen der Seele niedertreten. Und zwanzig Jahre nachher stiftete (10. März 1813) Friedrich Wilhelm III. das Eiserne Kreuz! – Im Jahre 1848 hat Georg Herwegh, tapfer im Worte und verzagt im Herzen, gerufen:

Reißt die Kreuze aus der Erden,
Alle sollen Schwerter werden,
Gott im Himmel wirds verzeihen!

Und auf dem Schlachtfelde von Magenta 1859 ward das Rote Kreuz von Henri Dunant gestiftet! In seinem Wintermärchen (1844) hat Heinrich Heine den Gekreuzigten mit rohem Witze verspottet, wenige Jahre darauf hat Joh. Hinrich Wichern im Namen Christi das Werk der Inneren Mission zwar nicht begonnen, aber neu gefaßt und reich begütet. Die Johannespassion (1724) und die Matthäuspassion (1728) von Joh. Seb. Bach, voll gläubigen Empfindens, das Bekenntnis zum zweiten Glaubensartikel in Ton und Klang haben die Arbeiterwelt Berlins erquickt, wie hier in Nürnberg

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Hermann von Bezzel: Passionsgedanken. Verlag der Buchhandlung des Vereins für innere Mission, Nürnberg 1916, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Passionsgedanken.pdf/12&oldid=- (Version vom 10.11.2016)