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Adam Kraffts siebente Station „hir ligt Christus tot vor seiner gebenedeyten würdigen muter, die in mit grossem hertzenleyt und bitterlichen smertz claget und beweynet“ eine stille und doch gerne verstandene Predigt für die Vorbeieilenden ist! –

 Vom Hohn umtönt, vom Spott umrauscht, vom Zweifel beschwert ist die Predigt des Kreuzes in Farbe und Stein, in Sang und Klang, in Wort und Bild das gewaltigste Tatzeugnis göttlicher Ironie, die ihre Wege sich über Menschenwege zieht und endlich zum triumphierenden Siege erhebt, was die „Gewalt des bittren Tods zernichtet“. –

 Göttliche Ironie war es, die das Sterbehaus Voltaires (gestorben 30. Mai 1778) in Paris zum Geschäftshaus der evangelischen Bibelgesellschaft werden ließ. Er hatte geweissagt, daß in 25 Jahren die Bibel nur noch in Bibliotheken und Antiquariaten oder in Rumpelkammern verstaubt sei und nur als Zeichen menschlicher Abgeschmacktheit aufbewahrt werde. Und 1804 entstand die große Britische Bibelgesellschaft, 1812 die gesegnete Württembergische zu Stuttgart. 1837–1860 lebte Ludwig Feuerbach (gestorben 12. September 1872) auf dem Schlosse der Ansbacher Markgrafen zu Bruckberg bei Ansbach. Dort schrieb er sein „Wesen des Christentums“, daß der Mensch nicht Gott, nur sich selbst anbeten dürfe. Denn Religion ist Erfindung und Werk des Menschen. In seinen Wohnräumen hausen die armen Schwachsinnigen, denen die Liebe Christi helfen und Licht bringen will. Die Religion ist Kraft und Leben, wenn die Philosophie längst verrauscht ist. 1835 und 1837 erschien David Friedrich Strauß’ Leben Jesu, das ehrlichste und ernstlichste, das blankste und schärfste Rüstzeug gegen den Herrn, viel zu gründlich, um ernstlich gelesen, viel zu gewissenhaft, um geliebt zu werden. Im gleichen Jahre zieht ein ungenannter und unbekannter Pfarrer, der wie Strauß und kurz vor ihm zu Berlin Theologie studiert hatte, in das arme fränkische Dorf Neuendettelsau ein. Welche Ströme des Segens und der Gnade sind von diesem Manne ausgegangen, dessen ganzes Tun dem seines Christus galt! Voll Weisheit und Erkenntnis, ein Menschenfreund und Geisterkenner, groß und erfindsam in der Liebe, stille und gelassen in aller Arbeit und Mühe, ganz Mann, weil ganz Christ, ist er am 2. Januar 1872 unter den Klängen des „O Lamm Gottes, unschuldig“ zu dem Herrn und seinen Freuden heimgegangen. Am 8. Februar

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Hermann von Bezzel: Passionsgedanken. Verlag der Buchhandlung des Vereins für innere Mission, Nürnberg 1916, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Passionsgedanken.pdf/13&oldid=- (Version vom 10.11.2016)