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 Wer recht individualisieren will, muß viel verstehen. Denn so wahr das Wort ist: habe Liebe und tue dann alles, was du willst und so gewiß die Kraft und Tugend der Liebe weder durch Wissen noch durch Kenntnis ersetzt wird, so gewiß verlangt sie, damit sie recht liebe, lehre und leite, allerlei Unterweisung. – Die Diakonenanstalt in Rummelsberg, die Brüderanstalt in Neuendettelsau in Ehren, jede sei ihres Weges und seiner Weise gewiß! Aber beide werden, das wissen wir dankbar, gerade am Erreichten erkennen, wie viel zu tun noch übrig bleibt. Die großen oberfränkischen Pfarreien, die stundenweit entlegene Bezirke umschließen, die Fabrikzentren nicht nur des Oberlandes bedürfen zur Unterstützung des Pfarramtes Gemeindehelfer, die es nicht verdrängen oder ersetzen wollen, sondern die ausrichten, wozu sie von ihm gesandt werden. Neue Aufgaben wachsen bei jeder Andeutung heran, denn die Ernte ist groß. Soll das gute Feld denen zum Schnitt und zur Ernte überlassen werden, die nicht auf ihm säeten noch es bestellt haben?

 Unsere beiden Diakonissenhäuser, von denen durch sechzig Jahre Ströme von Segen und Güte auf unser liebes Land ausgegangen sind, deren Tiefe nur Einer ganz ermißt, Heil und Hilfe, Sonne und Frieden in die Nähe und Ferne auszogen, haben ihr eigenes Recht, das ihnen niemand versagen soll noch verkümmern darf. Sie sind nicht aus der Innern Mission an sich herausgegangen, sondern haben ihr gedient und von ihr sich dienen lassen, haben die gesunde Einseitigkeit bewahrt, um vielseitig werden zu können und mehr die Gemeinschaft in ihrer Beharrung gepflegt, um das Eigenwesen zu bewahren. Im Reiche Gottes liebt man die Ordnung, damit das Rechte geschehe. Wer den Mut hat, sein selbst zu sein, versteht den Nächsten besser.

 Aber eben weil beide Anstalten so viel geleistet haben und leisten, daß jeder Dank an sie kaum groß genug ist, mag man fragen, ob es nicht ein gutes Recht sei, für allerlei Not Neues zu schaffen. Was bedeuten zum Beispiel für die evangelische Gemeinde München die wenigen Diakonissen trotz des edlen Vorrechtes, das Geschichte und Arbeit ihnen erworben haben und zusichern? Die Diaspora ruft, man kann ihr nicht geben, die Schule fordert, man kann sie nicht erhören. Die Kranken, rings in der Fremde verstreut, brauchen Pflege und Hilfe, man muß sie an andere Kräfte weisen. So muß die Bitte, ob nicht noch ein neues Haus entstehen solle, erneut werden. Mag es andere Formen annehmen und eine neue Weise üben, wenn nur auf altem Grunde dies Neue sich erhebt!

 Also begrüßen wir von ganzem Herzen jede Neugründung, die nicht aus äußeren Veranlassungen, sondern aus innerer Notwendigkeit geschehen will.