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Der heutige Sonntag hat seit alten Tagen den Namen Passionssonntag, weil an ihm die Kirche besonders sich rüsten soll, ihren Herrn in Seine hohe Passion zu begleiten, in das „liebe Kreuz“, wie Luther sagt, das ist in „die Schmach und große Schande, welche Christus unschuldig um unsertwillen erlitten hat“. Es ist für die Seele das trostvollste Wissen, daß einer all ihre Not, die Tiefen ihrer Sünde und die Größe ihrer Schuld kennt und weiß und so wenig an ihr irre wird, daß er vielmehr Tiefen durchmißt und die Größe der Tat willig auf sich nimmt, um die Seele zu erretten. Für gerechte Sache und große Ziele reiner Art, für Vaterland und Ehre hat manch einer sein Leben nicht geliebt bis in den Tod, sondern es eingesetzt und geopfert. Aber für solch verlorene Sache, als eine in Schuld und Schande versunkene Menschenseele es ist, hat nur Einer sein Leben gewagt und verloren, und zwar ein heiliges, reines, göttliches Leben. Nun versteht man etwas von dem „Also“ in der „kleinen Biblia“ und dem „süßen Evangelium“ Joh. 3, 16, von der Größe des Opfers, bewiesen an der Unwürdigkeit des Gegenstandes, dem es gilt, und der Hoheit der Gabe, die es leistet. Was aber der einzelnen Seele den größten Trost bietet, muß für die Kirche, die Gemeinschaft der fehlenden und fallenden, aber auch glaubenden und hoffenden Seelen, das Liebste sein. Denn nicht eine Schar Suchender ist die Kirche noch eine Schule von Denkern und Forschern, sondern eine Gemeinschaft von Erlösten und darum von selig Besitzenden, die Jesus zu seinem Eigentum erworben und dem Vater zugeeignet hat. In dieser Gemeinschaft gilt nur ein Bekenntnis, daß Christus Jesus kommen ist in die Welt, zur Sünde, ja zum Fluch zu werden, um Sünder selig zu machen. Das böse Gewissen, das auch die Kirche mit ihren Dienern, Wächtern und Hirten ängstet und quält, daß es „wohl durch einen eisernen Berg flöge, wo es möglich wäre, so greulich erschrickt es und fürchtet sich, so oft ihm eine Not begegnet“, wird nur durch den Glauben getröstet. „Anfang, Mittel und Ende aller Irrtümer ist, daß man aus den einfältigen Worten Gottes tritt und will mit der Vernunft in göttlichen Wundern handeln und die Sache bessern.“ Aber Gott sei Dank!

Empfohlene Zitierweise:
Hermann von Bezzel: Pflichten in ernster Zeit. Carl Junges Buchhandlung, Ansbach 1914, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Pflichten_in_ernster_Zeit.pdf/2&oldid=- (Version vom 1.8.2018)