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predigt von den zwei Augen des Christen. Das eine sei auf Gott, auf die Welt das andere gerichtet, und wenn das eine Auge sehen wolle, müsse das andere sich schließen. So soll es unter uns nicht sein! Mit beiden Augen zu Gott, mit beiden Augen zur Arbeit! Erden- und Himmelsberuf liegen in einer Linie. Laßt uns wirken, solange der Tag ist; es kommt die Nacht, da niemand wirken kann – früher vielleicht, als wir’s ahnen – über uns, über unser geliebtes Volk.

 Aber zum Recht auf die Arbeit gesellt die Barmherzigkeit dessen, der den Wolken sinnend nachsah und der Blumen auf dem Feld und an den Hängen sich freute, der die Vögel bei ihrem Flug betrachtete und den Kindlein barmherzig zuschauen mochte: die Freude am Genuß. „Ich bitte nicht, daß du sie von der Welt nehmest.“ Er fordert nicht auf zu einer griesgrämigen, weltscheuen, weltverdrossenen Art, mit der seine Ehre geschmäht und seine Persönlichkeit gelästert wird, als ob er nicht das Wasser des darbenden Mangels in den Wein großer Güte gewandelt hätte! Er hat die Freude am Genuß uns gegönnt. Da gehe hinaus, teurer Verein, in Gottes herrliche Natur, wenn im Frühling wieder alles treibt und sproßt, und der Sommer seine Ernten und Ähren bereitet! Freue dich, wenn der Herbst das Versprechen des Frühlings einlöst, und wenn der Winter die Erde zur Ruhe und neuen Bereitung kommen heißt! Denn die Erde ist voll seiner Güter. Es wachsen auf ihr nicht nur Dornen u. Disteln, – die hat er in seinen Kranz genommen, da er am Kreuze für eine Welt blutete – es wachsen auf ihr allerlei Herrlichkeiten, Freuden und Lobsagungen. Danket dem Herrn, denn er ist freundlich – draußen in der Natur!

 Mir scheint das recht lutherisch zu sein, wenn man sich der Welt draußen freut. Wundersam! Calvin bringt den größten Teil seines Lebens an den herrlichen Gestaden des Genfer Sees zu – in seine Studierstube schaut der Montblank hinein! In all seinen Briefen erwähnt er nichts von dieser Herrlichkeit und Schöne. Da seht dagegen das Bild unseres Luther, wie er des Kirschbaums vor der Zelle gedenkt, die schlichte Reseda preist, in einem Brief von den Vöglein am Fenstersims schreibt und seinem Sohne all die Herrlichkeit der Erde schildert und uns zuruft: Freut euch, ihr habt ein Recht, euch zu freuen!

 Da ist’s – muß ich’s in Nürnberg erst sagen? – die Freude an der Kunst, an der herrlichen Nachahmung der Gottesschöpfung, an der Nachdenkung der Gottesgedanken. – Hier hat ein Albrecht Dürer deutsches Stilleben mit evangelischen Farben gemalt. Hier haben große Meister durch die Reihe der Jahrhunderte in rechter, zarter Art Sinnigkeit und Innigkeit verbunden. Hier ist das Wort gefallen: „Einfachheit und Wahrheit sind die Zierden der Kunst.“ Freue dich, evangelischer