klingt dem barbarisch, der nicht liebt und der weltliche Dichter weiß von einem Auge zu reden, das nie die Sonne erblickt, von einem Gemüte, das Göttliches nie entzückt. Wo das Organ für Ewiges erstirbt, da bleiben Hammerschläge aus der Ewigkeit ebenso tonlos als das ängstliche Seufzen der Kreatürlichkeit. Der Knecht Gottes rühmt den Herrn nach, daß er ihm alle Morgen das Ohr öffne, daß er höre wie ein Jünger. Wir haben weder Recht noch Pflicht, in die Heidenwelt hinauszugehen. Aber die Pflicht, das Seufzen zu hören, haben wir.
Ihr Studierende der Theologie, teure junge Freunde, das tiefste Studium ist das Hören auf den Geist Gottes, der manchmal und mancherlei Weise redet, ist Versenkung in diese Rede trotz ihrer Unscheinbarkeit, ihre Deutung aus eigner Herzenskenntnis. Wer sie prüft, erlebt und erleidet, dem wird die heil. Schrift Ausdruck für unverstandenes Sehnen geben und Verständnis für fremdes Leiden, der Sympathie, ohne welches alle Theologie nichts bedeutet. Der sel. August Neander, der Kirchenvater des 19. Jahrhunderts hat das Wort geliebt: pectus quod facit theologum. Nicht Wissen allein tut es, sondern Wollen. Bittet, daß Gott euch das Herz für alles Leid des Lebens erschließe und das rechte Verständnis gebe. Kirche ist nicht ein leerer inhaltsloser Begriff, ein Schreckgespenst mit Satzungen und Ordnungen und Unordnungen. Kirche ist ein Zusammenschluß der homines desiderii, eine Gemeinschaft der zur Heimat Wollenden und für sie Werbenden. Wer das hört, dieses himmelanstürmende Flehen des Geistes, dieses Tage und Stunden zählende Verlangen der Kirche, der spreche nicht gelernte, gewohnte, geübte Worte, sondern der spreche mit der Jüngerzunge, die da mit den Müden zur rechten Zeit weiß zu reden (Jes. 50, 4) eben das, was Geist und Braut sprechen: Komm. Fehlt der Theologie der Ewigkeitsdrang, so gebricht es ihr auch an Ewigkeitsluft, daran wird sie geprüft, darin wird sie bewährt. Heimweh ist nicht weichliche weibische Gefühligkeit, nicht kulturfeindliche Weltfremdheit, nicht bildungsferne Einseitigkeit, sondern männliche Kraft und wahrer Fortschritt. Ein jeglicher, der solche Hoffnung hat, der reinigt sich, gleich wie auch er rein ist (1. Joh. 3, 3.)
Geliebte Festgenossen. „Wer es hört“. Unsere Kirche kennt keine Geistlichen als höheren Orden, noch Laien als Minderkeit, sie will alle die Ihrigen von Gott gelehrt sein (Joh. 6, 45) lassen. So bittet sie heute durch einen ihrer Knechte: Höret, wie der heilige Geist nach Vollendung durch die Zeit ruft, vernehmt am Missionsfest die Klage der einsamen
Hermann von Bezzel: Predigt am Missionsfest in Nürnberg. Verlag der Buchhandlung des Vereins für innere Mission, Nürnberg 1911, Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Predigt_am_Missionsfest_in_N%C3%BCrnberg.pdf/10&oldid=- (Version vom 10.9.2016)