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dafür, daß dem redlich Suchenden die Gnade des Findens zu teil werde.

 Vielleicht gestattet ihr mir – nein, ihr müßt es mir gestatten, Geliebte, daß ich als sein Knecht für das Wort, das in meinem Leben die Kraft gewesen und geblieben ist, eine gute, dankende, bittende Fürsprache einlege. Ihr müßt es mir erlauben, daß ich in dieser Stunde mit dem Propheten sage: Wenn dein Wort nicht mein Trost gewesen wäre, wäre ich vergangen in meinem Elend! Es ist wahrlich nicht an dem, Geliebte, daß wir ein Wort bräuchten für die tiefsten Sehnungen unserer Seele, größten Bedürfnisse unseres Lebens, für all die Geheimnisse unseres Denkens. Denn der Acker, sagt der Herr, ist die Welt und umfaßt alle Weltphasen, umfaßt alle Weltgrößen, alle Entwicklungen dieser Zeit – er umschließt sie mit dem einen Abmaß, daß vielleicht im Frührot der Acker andere Beleuchtung trug als bei der Hochflut der Sonne, daß, wenn der Abend niedersinkt, das Erdreich in anderer Stimmung daliegt, als am heißen Mittag – aber das Erdreich ist dasselbe.

 Und das Menschenherz mag anderen Stimmungen Raum geben in unserer Zeit und andere Fragen im Vordergrund sehen – in Wirklichkeit ist es dasselbe fragende, suchende, sehnende Menschenherz.

 Gott sei Dank, daß noch heute – so aber solls jederzeit sein und bleiben auch auf dieser Kanzel –, das alte Wort in seiner Schlichtheit, in seiner Einfachheit verkündigt und bezeugt werden darf. Er schenke, daß viele Knechte in seinem Dienste – wenn sie uns längst begraben haben werden, von dieser Stätte aus unter Bezeigung von Gabe, Kraft und Geist, das Wort ausstreuen. Er verleihe, daß unter dieser Kanzel immer wieder eine Gemeinde sich finde, die aus tiefster Überzeugung spreche: „Mir ist nicht um tausend Welten, aber um dein Wort zu tun!“ Wie arm ist Jesu Wort – und will nicht reich sein; wie gering ist Jesu Art – und will nicht groß sein, wie unschön ist Jesu Werk – und will nicht gleißen das Werk dessen, der die Knechtsgestalt annahm und sich erniedrigte bis zum Tod, ja bis zum Tode am Kreuze, das Werk dessen, der unter aller Schöne des Lebens den Gehorsam als das schönste und unter allen Reichtümern der Erde die willentliche Armut der Geduld als das reichste Kleinod erkor.

 Sollen wir nun reich machen wollen, was er arm ließ, glänzend werden lassen, was er einfach ließ, – das sei ferne! Im Gehorsam liegt die Kraft, in der Einfachheit liegt der Sieg, – und wer dem Wort zu hält, der wird das Wort verklären.


II.

 Denn so gewiß der Säemann, der da arm über die Erde hingeht, bis auf diese Stunde zugleich der zur Rechten erhöhte

Empfohlene Zitierweise:
Hermann von Bezzel: Predigt am Sonntag Exaudi 1912. Verlag der Buchhandlung des Vereins für innere Mission, Nürnberg 1912, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Predigt_am_Sonntag_Exaudi_1912.pdf/7&oldid=- (Version vom 1.8.2018)