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des Ausblicks und überschattet den offenen Weg. Aber das köstliche Zeugnis bleibt doch eben im Urteil, daß wir arbeiten und wachen, – am Tode und der Grabesruhe geht die Wolke vorbei.

 Christen sind moderne Menschen, sollen sie darum nach dem jeweiligen Urteil sich richten, der Tagesmeinung, die heute verkennt, was sie gestern ehrte, sich anpassen, sollen sie von jedem Luftzug das Licht sich auslöschen lassen? Man bietet ihnen Surrogate an, dürfen sie ihr klares Salz drangeben? Die Stadt wird veraltet gescholten, soll der Bau von Grund auf geändert werden? – So gewiß jedes Urteil am Wege vernommen und erwogen sein will, so gewiß darf nicht jedes bestimmen. Geprüft wird alles, nur das Gute behalten. Das Gute aber ist das im Feuer bewährte, in der Gluthitze geläuterte und aus ihr gerettete Urteil.

 Von der Gegenwart und ihrem wandelbaren Urteile weg, von der buntfarbigen Kritik der Tagesmeinung kehren wir in die von der Ewigkeit durchleuchteten Hallen der Geschichte ein, schauen wir auf die Wolke der Zeugen, die auf uns niederblickt, obwohl wir sie nicht sehen. Vor den Augen des apostolischen Mannes, dem wir den Hebräerbrief verdanken, hebt sich die selige Vergangenheit empor, die in die Gegenwärtigkeit der Arbeit hereinwirkt, die edle Schar all der Glaubensleute, die Gehorsam geübt, Verzicht geleistet, Schmach ertragen, Opfer gebracht haben, die in der Wüste ihr Vaterland und ihre Heimat in der Fremde fanden, unter dem Schwerte des Tyrannen verbluteten und ein in Spott und Verachtung viel angefochtenes Leben willig bestanden. Es sind wenig erlauchte Namen, nicht Weltweise, nicht viel Edle und Gewaltige, Ungenannte, wenig Genannte, aber in so hoher Ehre, daß ihrer die Welt nicht wert war, denn ihre Namen sind im Himmel angeschrieben. Nicht was sie taten, machte sie so groß, sondern was sie an sich tun ließen, ihre Leidentlichkeit war ihre Großtat. Und diese Leidentlichkeit heißt Glauben, diese Willensrichtung auf das Unfaßbare, dieser Abt des Gehorsams gegen das Wort ihres Gottes. – Der Glaube war ihr grünender Stab, ihre Wehr und Waffe, ihre einzige, aber ganze Kraft. Darum sind sie jetzt in die lichte Welt des Schauens und in den Reichtum des Vollbesitzes versetzt und umlagern uns wahrhaftig um unser Urteil zu heiligen und wehrhaftig, um uns im Kampfe zu stärken, wie es der 21. Artikel unseres Augsburgischen Bekenntnisses meint. In dieser Morgenstunde gedenken auch wir – „die Zeit würde zu kurz sein“ – in ernster Dankbarkeit der treuen Bekenner, die uns die Herrlichkeit des Glaubens vorgelebt haben. Unter grünen Ranken haben sie über Luthers Gemach auf der Wartburg das Wort gemalt: „Der Glaube