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 Der größte Maler des heutigen Rußlands, Elias Rjepin, der die Tolstoischen Volksbücher illustriert und zugleich mit dem Moskauer Gorunow so viel für Volksaufklärung tut, hat ein Bild geschaffen. Ein junger Student in der Uniform der Universitätshörer schreitet mit einem jungen Mädchen mutig von einer ins Meer treibenden Welle hinein, hinaus in die offene See. Optimisten deuten die Meinung des Bildes nach dem altrussischen Sprichwort: Dem Mutigen ist auch des Meeres tiefster Ort nur knietief. Der Christ denkt an den, der seinem auf dem Meere wandelnden Jünger die stärkende und stützende Hand entgegen hielt – in Goethes Lieblingserzählung (Matth. 14, 30). Aber der Pessimist urteilt: Wohin wollt ihr Verwegnen? Seht ihr denn nicht, daß das Meer so breit, so weit und tief ist? Ihr versinkt und opfert euch nutzlos. Aber die See brandet weiter und achtet euer nimmer. Und die das Bild also auslegen, haben recht. Rußland hat sich nur ein treues, mit echter deutscher Anhänglichkeit ihm ergebenes Volk erworben, das sind die Balten. Und sie werden geknutet. Alle übrigen Völkerschaften warten auf den Tag, wo trotz der Pogrome und der Massenverbannungen, trotz der Kasematten von Peter und Paul das Volk aufsteht, um seine Dränger zu verstoßen und seine Lügner zu vertreiben. Noch treibt der edle Potemkin mit den gemalten Dörfern, hinter denen die Hungersnot gähnt und das Elend wartet, sein frevles Spiel, noch werden in Petersburg Volkshäuser mit Brot und Spielen, wie das alte Rom sie bot, geöffnet. Aber die es genießen, sind nicht das Volk, und das Volk genießt es nicht. Edle Kräfte, denen der Pope Steine statt Brot gibt, die offizielle Kirche den Ikonastes zeigt und die wundersamen Chöre und Liturgien zu hören gibt, hoffnungsvolle Gaben gehen ungenützt und ungepflegt zugrunde. Vor der Gefahr der Revolution flüchtet sich der Absolutismus, die Zwangsherrschaft zu dem unruhigsten aller Völker, das alle Jahrhunderte „Revolution macht“.

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 Und so ist Frankreich im Bunde mit Rußland. – Wie reimen sich Stroh und Weizen zusammen? (Jer. 23, 28.) Frankreich zum Schutze des Kreuzes, das in den

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Hermann von Bezzel: Unsere Feinde. , Ansbach ca. 1915, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Unsere_Feinde.pdf/6&oldid=- (Version vom 10.9.2016)