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Silberwolken des Humors auf dem tiefgründigen Himmelsblau seines Glaubens“, hat mehr für Christus getan als mancher andere, der von „sündgem Reden und üppgem Lachen“ zu tadeln weiß und zwischen dem „Alles ist euer“ Pauli und dem „Eins ist not“ des Herrn nicht die richtige Verbindung ziehen kann. Luthers Grundanschauung umfaßt alle Gebote Gottes in dem gleichmäßigen Grunde: „Wir sollen Gott fürchten und lieben“. Aus der kindlichen Ehrfurcht und der erfinderischen Dankesliebe erfließt ihm das ganze Christenleben, ein Strom des Dankes durch alle Breiten und bis in die fernste Weite. Neuerdings liebt man es, die eine Guttat vor der andern auszuzeichnen, falsche Unterschiede aufzustellen, Grenzlinien zu ziehen, bis zu denen das Christentum zu gehen hat, jenseits deren es aufhört oder in minderer Vollkommenheit thront. Aber Sittlichkeit, deren Bestimmung der Mensch vernimmt, und Opfer, die man sich mit diesem Namen wählt und auferlegt, hören auf zu sein, was sie sein möchten. Für beide hat Gott selbst Regel und Ordnung gestellt.


4.

 Luthers Katechismus, dieses Lehr- und Trost-, Gebet- und Lebensbuch, würde allein uns zum Dank verpflichten für die große Wohltat, die keine Kirche so kennt und hat. Aber das ist nur eine Gabe aus der vielfältigen Weisheit, die der Herr in diesen Mann gelegt hat. „Mehr als durch seine Schriften hat er durch seine Lieder geschadet“, tadeln die Gegner. Und wir preisen die Würde und den Wohllaut des lutherischen Chorals. Selbst ein Meister auf der Laute und von heller, zarter Stimme, griff er in die Harfe, allen Gottestaten zum Preis, allen Gotteskindern zur Lust.

 An Weihnachten klingt das „Gelobet seist du, Jesu Christ“ aus der Tiefe des Geheimnisses herauf. Das Kinderlied, „auf die kindlichste Weise zu singen“, bringt seine Größe auch den Armen nahe, zu denen der Herr sein Herz kehrt. „Mit Fried und Freud ich fahr dahin“: ein schöner Schwanengesang, zum Abschied aus dem alten, zur Stärkung für das neue Jahr wohl zu singen. Um das Kreuz rankt sich das Lied anbetend empor und an Ostern jubelt es: „Christ ist erstanden“ und „Jesus Christus, unser Heiland“. Himmelfahrt und Pfingsten steigen herauf. „Christ fuhr gen Himmel“, „Komm, Heilger Geist, Herre Gott!“ tönt es ihnen majestätisch entgegen. Und dem Abschluß der festlichen Zeit antwortet das wundersame „Jesaja dem Propheten das geschah“ mit seinem „Dreimal

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Hermann von Bezzel: Warum bleiben wir bei unserer Kirche?. Buchhandlung der Diakonissenanstalt, Neuendettelsau 1906, Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Warum_bleiben_wir_bei_unserer_Kirche.pdf/10&oldid=- (Version vom 10.9.2016)