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Mißverhältnisse zusammen, über das wohl noch zu reden sein wird. Wir aber wollen unsern Lehrern, die uns das Wort Gottes gesagt und so gesagt haben, gehorchen und ihrer gedenken, wie sie es wünschen und verdienen!

 Die Lutherbibel wieder auf den Hausaltar, den unser Vater errichtet hat, als er selbst in die Ehe trat und den Hort vieler guter Dinge und Reichtümer, das evangelische Pfarrhaus, stiftete, über das freilich neuerdings gar abschätzig geurteilt wird! Es soll mit schwerem Herzen zugegeben werden, daß manche Pfarrhäuser an Weltförmigkeit und Liebe zur vergänglichen Lust sich kaum überbieten lassen. Wir könnten genug Bedauernswertes feststellen, nicht indem wir einzelne Verfehlungen herausgreifen, sondern indem wir den Gesamtton zu beklagen haben, der in evangelischen Häusern herrschen kann: den Geist der Gebetslosigkeit, der Müdigkeit und Geschäftsmäßigkeit. Aber den Unterstellungen, als ob wir Geistliche, weil wir vom Evangelium uns nähren müssen, es mit ihm nicht ernst meinen könnten, wollen wir mit aller Entschiedenheit begegnen! Viele unserer Gegner, die alltäglich dem ungegorenen Gerede mancher „Brüder“ mit inbrünstiger Andacht zuhören, wenn sie beispielsweise über Sauls Sohn, Abinadab, predigen, in dessen Namen die Frage liege, ob ich wohl hingelange – tappe – zur himmlischen Stadt (!), wissen nicht oder wollen es nicht acht haben, welche Kämpfe mit Zweifel und Sorge, mit den Anläufen der neuen Kritik, mit dem Gelernten und Gelesenen ein armer Pfarrer zu bestehen hat, bis er am Sonntag vor die Gemeinde treten und ihr all das sagen kann, was sie zu hören und zu erfahren gekommen ist.

 Die Laienprediger reißen das Wort an sich. Mit dem souveränen „mir ist es so“ setzen sie sich über allen Zusammenhang der Stelle, über die Gesamtanschauung des betreffenden Buches hinweg und lassen den Text den Nagel sein, an dem sie ihre „Betrachtung“ aufhängen. Und sind also diejenigen, welche eine Wissenschaft zum Lebensberuf gemacht und ihre Nahrung derselben zu danken haben, minder vertrauenswert als „ungelehrte Laien und freie Brüder“? Nach dieser Logik wäre der Rechtsunkundige der beste Richter und der Naturarzt der beste Operateur und unsere Gymnasien müßten von Sprachunkundigen geleitet werden! Denn „der Geist tut alles!“ Er darf auch ungestraft Mißtrauen zwischen Hirten und Herden säen, die verborgene Treue, die ein Pfarrherr nach dem Herzen des Erzhirten, um den man „einen

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Hermann von Bezzel: Warum bleiben wir bei unserer Kirche?. Buchhandlung der Diakonissenanstalt, Neuendettelsau 1906, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Warum_bleiben_wir_bei_unserer_Kirche.pdf/13&oldid=- (Version vom 10.9.2016)