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können genugtun für unsere Sünde, denn allein Christus, „wahrer Gott und Mensch“. „Vor unseligem Großwerden behüt uns, lieber Herre Gott!“

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 Ich komme zum Schluß. Es ist unleugbar, daß große Schäden zu Tage treten, aber ebenso unbestreitbar, daß weder Kraut noch Pflaster, selbst wenn es englisches wäre, hier heilt, sondern allein sein Wort mit der Heilkraft, die Jahrhunderten genuggetan hat. Wir brauchen nicht neue Erfindungen, sondern bitten nur flehentlich um größere Aneignung und ernstere Betrachtung der ewigen Erlösung, die Jesus erfunden hat. Wir sehen in unserer Landeskirche, allgemeiner in der Volkskirche, die schweren Krisen, welche durch Irrlehre, durch Entleerung des Kreuzes Christi, durch Verachtung des göttlichen Wortes heraufbeschworen sind, durch totes Kirchentum und Schlaf und elende Trägheit festgehalten werden und Versumpfung und Verdumpfung herbeiführen müssen. Aber wir bestreiten unsern Gegnern, daß Kirche nur ein rein äußerlicher Begriff, ein „durch Satzungen, Ordnungen, Kirchenzettel dürftig zusammengeleimtes“ Scheinwesen sei, während die wahre Gemeinschaft „dem Frühbeete gleicht, aus dem alles Unkraut herausgetan und in dem so viel Licht und Wasser vorhanden sind, um die Pflanzen durchzuretten“. Wir halten die sechs Kennzeichen der Belehrung, welche Pastor Paul aufstellt, für zu wenig innerlich mit einander verbunden und wollen nicht aus dem, was sie fälschlich „Babel“ nennen, fliehen, solange Gott bei ihr drinnen ist. Es ist sehr bequem in einem kleinen behaglichen Hause, in seinen sauber getünchten vier Wänden sitzen und Zinnen und Mauern der umdrohten Stadt dem Falle preisgeben und diese Mitleidlosigkeit noch als Kennzeichen der Belehrung feststellen. Aber Gott hat uns den Geist der Kraft gegeben, der den Feinden allen, dem Unglauben und der Sicherheit, entgegengeht und mit offenem Visier kämpft und das Kämmerleinschristentum allein verschmäht. Zum Geiste des Glaubens und dem Heldenmute des Bekennens schenke er den Geist der Liebe! Wir wollen unserem armen Volke auf der Kanzel und vom Altar, in der Kinderlehre und am Krankenbett seinen Heiland vor Augen stellen und den armen Trost des „Noch“ nicht mit dem lieblosen „Nimmer“ ertöten, sondern, wo noch ein Segen ist, bewahren, an Vorhandenes anknüpfen und auch, die nicht wider ihn sind, tragen.

Empfohlene Zitierweise:
Hermann von Bezzel: Warum bleiben wir bei unserer Kirche?. Buchhandlung der Diakonissenanstalt, Neuendettelsau 1906, Seite 21. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Warum_bleiben_wir_bei_unserer_Kirche.pdf/21&oldid=- (Version vom 10.9.2016)