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sein – ich erinnere dabei an die trefflichen Abendmahlsbücher, so an das alte „Nürnbergische Kommunionbuch“ von 1743 – solange sollte er diese neumodische Dutzendware, in der einer den andern durch Willkürlichkeit überbietet und wundersame Gedanken den inneren Mangel mühsam verdecken, ernstlich meiden. In dem kleinen Buche „Luthers Trost in allerhand Traurigkeit“ aus dem Calwer Verlag steckt mehr Lebenswahrheit und Trostkraft und Siegesgewißheit als in aller „Trostbundliteratur“.

 Daneben hat unser Kleiner Katechismus in seiner „Haustafel“ die Fülle der Weisungen für das praktische Leben und seine Pflichten. Luther war eben nicht nur Tröster, sondern auch Lehrer und Seelsorger für wahres, festes Christentum. Aus dem mit wenigen knappen Strichen gezeichneten Bilde eines rechten „Haus- und Amtschristen“ erklärt sich das ganze reiche Leben lutherischer Sittlichkeit, wie sie der beste Dolmetscher lutherischer Gesamtanschauung, der selige Adolf Harleß, in seiner „Christlichen Ethik“ entwickelt und in seinen Vorträgen über „Kultur- und Lebensfragen“ verfolgt hat. Nicht die einzelne Tat macht den Christen, sondern der Christ adelt und heiligt die einzelne Tat. Die Summe guter Werke „in künstlicher Mortifizierung“ – „Ertötung“ würde Luther sagen – macht mit nichten den Christen in seinem Lebensbestand aus, sondern der Christ, im Glauben ein Herr aller Dinge, deren er allenthalben Macht hat, ist in der Liebe jedermann zu Dienst und Willen und unterläßt, was ihm nicht abträglich sein müßte, den Bruder aber kränken und stoßen könnte.

 Freilich die Menge von Fragen, an deren präziser Lösung der ungesund gewordene Methodismus und Pietismus unserer Tage sich versuchen und erproben, kennt unsere Kirche nicht. Sie verschmäht es, ein Register von Erlaubtem und Unerlaubtem aufzustellen, in das zu seiner eigenen Entlastung das bequem gewordene Gewissen hineingreift, um alles Prüfens und Denkens ledig zu gehen. Was würde unser Vater in Christo mit dem hellen, weltoffenen und weltfrohen Blick, der gleichwohl ganz der Heimat zugewendet war, sagen, wenn er diese glatte, reinliche Scheidung von Recht und Unrecht, die Ausgetanheit aller offenen Fragen sähe! Mich däucht, er würde rufen, was er einmal Melanchthon gesagt hat: „Man kann Gott auch durch Feiern ehren. Unser Herr Gott will hurtige, fröhliche Gesellen, Freude mit guten frommen Leuten, obgleich ein Wort oder Zötlein zu viel, das gefällt Gott wohl!“ Wer einen Brief schreiben kann, wie den an Wolf Sieberger „mit

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Hermann von Bezzel: Warum bleiben wir bei unserer Kirche?. Buchhandlung der Diakonissenanstalt, Neuendettelsau 1906, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Warum_bleiben_wir_bei_unserer_Kirche.pdf/9&oldid=- (Version vom 10.9.2016)