Seite:Hermann von Bezzel - Warum haben wir Luther lieb.pdf/18

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

mit dem freien und frommen Geist des Evangeliums erfüllt und für die Zeit auf die Ewigkeit angelegt hat.

 Aus der friedlichen Enge des Hauses, aus dem vorbereitenden Ernst der Schule geht der Weg in die Oeffentlichkeit und Unruhe der bürgerlichen Gemeinschaft, des zweiten Gottesstiftes, des Staates. Wenn im Mittelalter die einen alle Lebensinteressen im Staate aufgehen ließen und für den Staat alles angelegt sehen wollten, welttrunken und weltferne zugleich – ich erinnere nur an die Florentiner Medicäer und an den wissenstrunkenen Humanismus mit seiner altgriechischen Staatsidee, hinter der die Rücksicht auf die Familie zurückstehen sollte und in der nur wirklich tüchtig war, der für die Oeffentlichkeit arbeitete und ihr diente – so hat Luther den Staat in seine Schranken gewiesen, ihm nur die Berechtigung zuerkannt, die das Weltwesen, das vergänglich ist, erwarten und verlangen kann, hat nicht die tätige Mitarbeit an der Gestaltung des öffentlichen Lebens für jedermanns Pflicht gehalten, wie er denn selbst von bewundernswerter Naivität in Beurteilung der weltlichen Konjunkturen war, ob er gleich mit intuitivem Tiefblick meist das Richtige erschaute. Aber so weit er von antiker Ueberwertung des Staates sich entfernte, die alles Eigenleben als Idiotie im schlimmsten Sinne erklärt, so ernst warnte er vor Unterschätzung des Staates, wie sie die mittelalterliche Theologie eines Gregor VII., Innocenz III. und Bonifaz VII. predigte und in der Lehre von den zwei Schwertern, im Bilde von Sonne und Mond versinnlichte. Er gab den weltlichen Ordnungen und Gesetzen ihr volles Recht und predigte die schlichte Pflicht des Gehorsams nach apostolischem Vorgange auch unter schweren Verhältnissen, deren Unleidlichkeit er nicht nach Calvins Rat und Meinung mit offenem Widerstand beseitigt wissen, sondern in stillem Gehorsam und gegebenen Falles durch Auswanderung aus dem Lande des Druckes gehoben sehen wollte. Die Hugenotten und die Niederländer sind nicht seine geistlichen Söhne, so wenig die Salzburger und Zillerthaler Nachfolger Calvins sind. Und weder der Schmalkaldische noch der dreißigjährige Krieg sind lutherischem Wesen entsprungen; Friedrich V. war Calvinist und Johann Friedrich von reformierter Seite beraten!

 So hat Luther den Sinn rechter Loyalität gepflegt, für den Kaiser, das „junge deutsche Blut“ (das freilich arg verdünnt war), das Beste gedacht und von ihm erwartet, auch nach 1522 und 1530, hat für den Kaiser beten heißen. Ihm sollte der Türkenpfennig willig gezahlt