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und das notwendige „tägliche Brot“ mit der Fülle seiner Lebensmitteilungen in der erhöhten Heilandspersönlichkeit umkleidet, den heilsam erquickenden Trank mit dem Reichtum Seiner durch Kreuz und Tod verklärten Liebe erfüllt, „verborgen im Brot so klein und sein Blut, verborgen im Wein“ – „eine eitel heilsame tröstliche Arznei, die Leben gebe, beide an Seele und Leib, denn wo die Seele genesen ist, da ist dem Leibe auch geholfen.“ (Gr. Katech.)

 Wenn aber trotz der kraftvollen Predigt, diesem „allerhöchsten, heiligsten und nötigsten Gottesdienst“, trotz der heilwertigen Sakramente, trotz der seelsorgerlichen Zusprache in der Beichte, da Gottes Stimme vom Himmel tönt, dein Glaube wanken will und nicht Kraft gewinnen kann, so gibt Luther ähnlich wie Bernhard von Clairveaux dem zaghaften Mönche aufgab, mit seinem Glauben zu kommunizieren, den kühnen Rat, mit fremdem Glauben uns zu trösten. „Es müssen notwendig sein, die da an unsrer Statt glauben, sonst wäre keine christliche Kirche mehr in der Welt und hätte uns Christus vor dem Ende der Welt verlassen“. (An Melanchthon 29. Juni 1530.) Die Zugehörigkeit zur Gemeinde der Gläubigen hebt den eigenen Glauben, wie die alten Deutschen mit Ketten sich aneinander banden, so daß die Reihe der Stehenden den Strauchelnden stützte.

 Der Glaube aber, der Christum für sich weiß und bekennt und Ihn als Seinen Fürbitter und Lossprecher preist und so die fröhliche Rechtfertigung her aufführt, bleibt nicht, wie die Gegner einhalten, ohne Frucht und Gewinn, tatenlos und erträgnisarm, sondern so gewiß Erbgut Zinsgut trägt, so gewiß muß der Glaube im Heiligungsleben sich bewähren, das alle Gebiete gleichmäßig umfaßt, langsam, mühsam, aber um so tiefgründiger und echter in alle Aufgaben und Pflichten, Verbindlichkeiten und Verhältnisse verneuend, umgestaltend und schöpferisch eindringt. Gerne erinnere ich an die Stelle aus der Predigt über Joh. 14, 18–21: „Nun (nach der Rechtfertigung) ist Christus in mir: ich habe mich sein angenommen und bin in ihn gekrochen, aus der Sünde, Todes und Teufels Gewalt getreten; so erzeigt er sich wieder in mir und spricht: gehe hin, tröste, diene dem Nächsten, sei geduldig. Ich will in dir sein und alles tun. Was du tust, das will ich getan haben. Sei getrost, keck und unverzagt auf mich und siehe, daß du in mir bleibst.“ Die magna charta libertatis Christianae, der evangelischen Christen höchster und edelster Freibrief, vom Himmel geholt und im Himmel bekräftigt, lautet