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zu machen. Von Luther bis zu Paulus Gerhardt, welch eine edle Schar von Sängern und Dichtern! Zum Manne des heiligen Sturmes und dem gewaltigen Kämpen tritt wie in der Stille verklärt der fromme Sänger der Passion, der Herold der Osterbotschaft, der im Kreuze gelassene Dulder. Das Wetter ist verbraust, das Ungestüm verzogen, Tod und Hölle, mit denen Luther noch zu Felde liegt, sind längst überwunden. Die güldene Sonne, voll Freud und Wonne, droben am Himmel, drinnen im Herzen bringt ein erquickendes liebliches Licht. Und wer des Tages Weg und Sorglichkeit dem Herrn befiehlt, sich zufrieden gibt und in dem Gotte seines Lebens stille ist, dem kommt der Abend mit Frieden herbei und hebt die Seele zu den stillen Stätten empor, wo sie nicht nur als Gast einst wohnen soll, um fröhlich von Gottes großem Tun zu singen und frei von allen Dingen in ihrem Erbteile zu ruhen. Keine größeren Gegensätze als Luther und der fromme, abgeklärte Sänger von Lübben – Wilh. Scheerer hat in seiner Literaturgeschichte dies fein ausgeführt – wiederum zwischen Nikolai und etwa Tersteegen, Nikolaus Decius und Gellert! Aber das ist Gottes Ehre (Eph. 3, 10), seine vielgestaltige, farbenreiche Herrlichkeit in Einzelheiten zu erzeigen. Anders spiegelt sich die Sonne im abgrundtiefen Bergsee, wenn er im Abendfrieden stille liegt und anders, wenn der Sturm über ihm hinzieht. Im verborgenen Waldquell erglänzt sie anders als in den tausend Tautropfen, die auf der Wiese funkeln. Die Vielgestaltigkeit des Chorals ist die Ehrengabe Gottes in Christo an sein evangelisches Kirchenvolk, das sein Gesangbuch lieben, lesen, beten und singen soll. Die Reform der Gesangbücher – etliche meinen, sie müsse alle fünfzig Jahre eintreten – fördert immer wieder neue Schätze hervor: es ist der unversiegliche Quell des Danks und der Anbetung, der Freude am Herrn, die singen und jauchzen, beten und bekennen läßt. Der Choral hat – so darf man kühnlich sagen – unsere großen Meister der musica sacra auf den Plan gebracht. Zu Prätorius und Haßler, zu Joh. Senffl und Krüger kommen die hohen gewaltigen Helden, Händel und Bach, Mendelssohn-Bartholdi und Brahms. Um den lutherischen Choral ranken sich ihre Kantaten und Oratorien, ihre Klänge und Rhythmen steigen wie Fülle und Kraft von Blättern und Blüten an dem Stamme des Chorals empor. Das „Tochter Zion, freue dich“ am Advent, das „Mein gläubiges Herze frohlocke“, Weihnachtslied und Passionsmusik, Osterfreude und Pfingstjubel, das Lied „Herzlich lieb hab’ ich dich“ – in der Johannespassion