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hat. Aber Luther hat mühsam alte Schachte wieder erschlossen, ist in verschüttete Bergwerke gelassen hinabgestiegen, auf betretenem Wege seinem Gott und seinem Volk genaht: er wollte nichts Neues, sondern ließ sich zum Alten zurückführen; wir sind die wahre katholische Kirche – so klingt es wie durch die Bekenntnisschriften, so durch sein ganzes Wirken. Als „St. Pauli lieber natürlicher Sohn“ hat er den Reichsschatz des Evangeliums wieder gehoben, die Formen vom Geist bestimmen, die Ordnung in der Zeit werden lassen. „Genie ist Fleiß“ sagt Palmer einmal. Genial war Calvin, universell Melanchthon, vorzüglich praktisch Bugenhagen – Luther war weniger als sie alle, aber er war einheitlicher, einseitiger mit Willentlichkeit, in allem auf Eines gerichtet, „daß das Wort unter die Leute komme“.

 So lieben wir ihn, weil er in alle Lebensverhältnisse eine Weise einführen, eine Weisheit sie lehren wollte, aus herzlicher Liebe zu seinem Volk, dessen Eigenart er in sich verkörperte mit seinem sehnlichen Suchen, seinem Erdentrotz und sinnigem Heimweh, seinem stürmischen Wagemut und gelassenen Gleichmut, seiner gesunden Diesseitigkeit und wahrhaften Jenseitigkeit. „Theologie deutsch“, sein Lieblingsbuch seit 1516, heißt den Menschen das eine Auge schließen, damit das andere recht sehen möge: Wer in den Himmel blickt, darf für die Erde nimmer ein Auge haben. Er tut beide Augen auf, denn ihm ist die Erde erlöst und der Himmel erdennahe, Herberge die eine, Heimat der andere. Erdenleben muß dem Himmel zu gerichtet sein, damit der Himmel die Erde finde, irdischer und himmlischer Beruf eint sich durch das Berufensein und in ihm. Oft redet er dabei von den drei Gottes-Stiftern, wenn ihm allerlei selbstgewähltes Heiltum das Herz schwer macht. Das sind die vom Paradiese her verordneten, aus dem Schöpferwillen durch die heilsame Erlösung für den Tag der Vollendung vermeinten des Hauses, des Staates und der Kirche. Was er an und in ihnen getan hat, das macht ihn uns lieb.

 Luther hat die Ehre des Christenhauses wieder helle leuchten lassen. Die Pietät gegen das eigene Elternhaus, das doch eine harte, oft freudlose Jugend ihm bescherte, hat ihn befähigt, sein Haus würdig zu gründen und vorbildlich auszugestalten. Wenn er 1511 zu Rom schier bedauert hatte, daß seine Eltern noch lebten, weil er ihnen gerne die Guttat einer besonders heilkräftigen Totenmesse hätte angedeihen lassen, so hielt er sich allerwege in ernstem und dankbarem Gehorsam gegen die Seinen. Des Vaters ernstes Wort